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Cooler, innovativer Verlag in Mailand? Iperborea. Natürlich!

Von Nefeli Kavouras

 

 

Dem unabhängigen Verlag Iperborea eilt sein guter Ruf voraus: Ihr wollt einen innovativen Verlag treffen? Redet unbedingt mit den Leuten von Iperborea. Ihr wollt wissen, ob es ein spannendes Literaturfestival in Mailand gibt? Ja, zum Beispiel »i boreali«, das leider direkt vor unserer Ankunft in Mailand stattfindet und – natürlich – vom Iperborea-Team gestemmt wird. Wir bleiben zufällig vor einem Schaufenster stehen und staunen über die ästhetische Gestaltung einer Reihe von Büchern, blicken auf das Verlagslogo – und wieder sind die Bücher von Iperborea. Lieblingsbuchhandlung in Mailand? Da gibt es viele sehr gute, zum Beispiel die Buchhandlung »Verso«, die u. a. vom Iperborea Verleger Pietro Biancardi betrieben wird, natürlich. Man kann fast meinen, dort, wo in Mailand Literatur auf spannende und schöne Gestaltung trifft, da ist der Verlag Iperborea und dessen Team nicht weit weg. Als wir dann tatsächlich in den Verlagsräumen sitzen und alle kennnenlernen dürfen, werden wir nicht enttäuscht, alle sind unfassbar offen und herzlich und die Art und Weise wie sie über ihre Bücher und die Verlagsgeschichte sprechen, begeistert uns sofort. 

 

Iperborea – ein unabhängiger Verlag mit Tradition

Gegründet wird der Verlag 1987 von Emilia Lodigiani, der Mutter des heutigen Verlegers Pietro Biancardi. »Damals wohnte sie in Paris und arbeitete als Journalistin in der Nähe der Sainte-Geneviève-Bibliothek, die vor allem für ihre skandinavische Sammlung bekannt ist. Also las sie in ihrer Freizeit dort französische Übersetzungen skandinavischer Autor*innen wie Karen Blixen oder Henrik Stangerup.« Als Emilia Lodigiani dann wieder in Italien war, stellte sie fest, dass die von ihr geschätzten skandinavischen Autor*innen noch gar nicht ins Italienische übersetzt worden waren. So ist dann die Idee zur Verlagsgründung entstanden. Der Verlagsname spielt dabei auf »Hyperborea« an, ein Land aus der griechischen Mythologie, das sich im äußersten Norden befindet. Dort sollen die Bewohner*innen in einem ewigen golden Zeitalter leben. Schon kurz nach der Gründung hat sich der Verlag auf das eigensinnige, ziegelförmige Buchformat geeinigt, da, wie es auf der Webseite geschildert wird, Ziegelsteine dazu beitragen, »die Persönlichkeit, den Geist und die Seele der Leser*innen aufzubauen«, wodurch ein gemeinsamer europäischer Geist gestärkt werden könne. Inzwischen wird aber nicht nur die kulturelle Brücke nach Skandinavien gestärkt. »Wir haben immer noch einen klaren Fokus auf skandinavische Literatur, aber es kommt auch vor, dass wir Sprachen übersetzen, die irgendwie nördlich von Italien liegen, sogar aus der Schweiz!«, erzählt uns Biancardi lachend. 

 

Mittlerweile sind Autor*innen wie Gerbrand Bakker, Stig Dagerman, Lars Gustafsson, Maria Gripe, Charlotte Gneuss, Hella Haasse und viele mehr dank Iperborea auf Italienisch zugänglich. Das umfangreiche Programm umfasst Werke zeitgenössischer Autor*innen und von Nobelpreisträger*innen wie Selma Lagerlöf (der ersten Frau, die den Preis gewann) bis zu Autor*innen antiker, isländischer, mittelalterlicher Sagen. Darüber hinaus veröffentlicht Iperborea auch Mumin-Comicstrips und I Miniborei, eine Reihe, die sich der Kinderliteratur widmet. Bücher italienischer Autor*innen veröffentlichen sie nicht, im Grunde besteht das Literaturprogramm nur aus lizenzierten Titeln aus insgesamt 18 Ländern. Das heißt aber nicht, dass das ca. 15-köpfige Team von Iperborea nicht selbst auch Inhalte produziert:

Mit Iperborea durch die Welt reisen

»Was denken Isländer*innen über den Ansturm von Tourist*innen, die ihr Land überschwemmen? Setzen sich Menschen in Amsterdam noch für ihre Tradition der Toleranz und Weltoffenheit ein? Warum sind die Japaner verrückt nach afroamerikanischer Musik?« Das sind u. a. Fragen, die sich die Beitragenden in den Reisemagazinen »The Passenger« stellen. 

 

Das Magazin zu den einzelnen Orten (ob Land, Stadt oder sogar Ozean!) besteht aus literarischen Reportagen und erzählenden Essays, teilweise sogar Musiklisten. Diese Formverspieltheit führt dazu, dass Leser*innen auf unterschiedlichen Weisen reisen können. Es geht um die Geschichten von Bewohner*innen, Kulturen, entlarvende Mythen, Buch- und Filmempfehlungen, die zusammen ein umfassendes Bild eines Ortes oder Landes ergeben.

 

 

 »The Passenger« agiert als einzigartiger »Reiseführer«, der die traditionellen Reiseführer nicht ersetzt, sondern ergänzt. Die Magazine machen einen mit den Kulturen vertraut, geben intime Einblicke, bilden einen weiter. Mittlerweile sind die Magazine auch auf Englisch, Spanisch und auf Portugiesisch erhältlich. 

 

Von und mit Iperborea lernen

Überhaupt merken wir, während wir uns mit den Verlagsmitarbeiter*innen  von Iperborea unterhalten, auf was für eine vielfältige Art und Weise der Verlag Wissen vermittelt. Ob es nun darum geht, Literatur anderer Länder zugänglich zu machen, oder ob Iperborea einem durch das Magazin beim Reisen hilft – immer geht es darum, dass man als Individuum wachsen kann, und das mit einer äußerst liebevollen Gestaltung. Es wundert also nicht, dass der Verlag seit 2021 mit der italienischen Onlinezeitung »Post« kooperiert. Gemeinsam entwickeln sie das Magazin »Cose – Spiegate bene« (zu deutsch: »Dinge – Gut erklären«). Jede Ausgabe widmet sich einem Thema. Es geht im Groben darum, Dinge besser zu verstehen und zu lernen, wie man über sie sprechen kann. Die erste Ausgabe widmet sich dem Medium Buch und erklärt, wie das Büchermachen überhaupt funktioniert. Wie gelangen Bücher in die Hände der Leser*innen? Das zeigt das Magazin auf eine informative, aber nie langweilige Art und Weise. Mittlerweile sind schon neun Ausgaben erschienen, die Themen sind vielschichtig: Partizipation, Gerechtigkeit, Gender ... Wir sind jetzt schon gespannt, die Themen der Zukunft zu verfolgen. 

 

Das Literaturfestival von Iperborea haben wir zwar verpasst, aber dafür werden wir zu einer Party in der oben erwähnten Buchhandlung »Verso« eingeladen, bei der angeblich ein DJ auflegt, der zugleich Übersetzer ist und gerade Toine Heijmans »Der unendliche Gipfel« ins Italienische übersetzt hat . Als wir aus der Straßenbahn aussteigen, sehen wir sofort, wo sich die Buchhandlung befindet, denn obwohl es bereits dunkel ist und dazu auch noch regnet, hat sich eine Menschentraube vor dem Eingang gebildet. Die Buchhandlung platzt aus allen Nähten, der Übersetzer-DJ tanzt im Schaufenster, alle scheinen sich zu kennen und auch wir werden sofort im Gewühl aufgenommen. Toll. Angenommen, wir wären Mailänder, und angenommen, wir würden in Mailand in einem Verlag arbeiten, dann würden wir am liebsten ... Natürlich!

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