Toronto - Ein Buch über das Glück

Erst diese Woche ist ein neues Buch in unserer Mono-Reihe erschienen: "Toronto - Aufzeichnungen aus Kanada", von Marc Degens. Dass das Buch Lust und Neugier auf das Buchmessengastland Kanada macht, ist keine Frage. Marc Degens hat die letzten vier Jahre lang von Toronto aus Kanada erkundet: Er ist durch die weiten Wälder und Seenlandschaften gefahren, war auf Walbeobachtungstour, auf einem abgedrehten Peaches-Konzert, bei dem nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Mutter auftrat, in diversen Comic-Läden, hat auf den hügeligen Straßen Québecs die Nationalspeise Poutine (Pommes mit Bratensoße und Käsestücken) probiert, den Wahlsieg von Justin Trudeau live miterlebt und sich auf den Spuren von David Lynchs Twin Peaks bewegt. Wir haben uns mit dem Autor Marc Degens getroffen um mit ihm über Autofiktion, Comic-Tradition und Sehnsuchtsorte zu sprechen. Außerdem zeigte er uns die Bilder aus seiner Kanada-Zeit.

TORONTO ist ein Buch, das man auf vielen Ebenen lesen kann und in dem viele Themen immer wieder aufgenommen und behandelt werden. Man kann TORONTO aber auch einfach als Reisejournal über Kanada lesen. Was würdest du sagen, sollte man unbedingt gesehen haben, wenn man nach Kanada fährt?

Oh, es gibt so viele wunderbare Orte in Kanada. Das Bergstädtchen Jasper in den Rocky Mountains hat mich sehr beeindruckt. Oder die Bruce-Halbinsel an der Georgian Bay. Oder Wasaga Beach am Huronsee. In den vier Jahren, die ich in Toronto lebte, hatte ich das Glück, viele Orte in Kanada besuchen zu können. Aber vieles habe ich natürlich auch noch nicht gesehen, denn das Land ist ja riesig, ich glaube dreißigmal so groß wie Deutschland. Für den Start sind natürlich die Niagarafälle an der kanadisch-amerikanischen Grenze immer eine gute Anlaufstelle. Die Ausblicke dort sind wirklich atemberaubend, hinzu kommt die künstlich-touristische Welt daneben. Hoteltürme, 24-Stunden-Spielkasinos, Kirmes und ganzjährliche Weihnachtsmärkte. Von den Niagara-Fällen ist es auch nicht mehr weit bis nach Toronto.

Die Millionenstadt am Lake Ontario, die zu den lebenswertesten Metropolen der Welt zählt. Mein ganz persönlicher Sehnsuchtsort ist aber St. John's auf Neufundland. Ein Küstenstädtchen mit einer kleinen Universität auf der Halbinsel Avalon, an dem im Frühsommer regelmäßig Eisberge aus Grönland vorbeiziehen und St. John's in Nebel einhüllen.

 

Vor TORONTO hast du lange Zeit in Armenien gelebt und auch dort ein Buch über deine Zeit geschrieben. Beeinflusst das Schreiben die Art, wie man Dinge erlebt, oder wie man überhaupt lebt? 

Auf jeden Fall. Schreiben ist sicherlich auch eine Art, über sich nachzudenken. Eine Lebensform, die fast automatisch zu einer gewissen Neugierde führt. Die Heimat des Schriftstellers ist seine Bibliothek, hat Roberto Bolaño einmal sinngemäß gesagt. Man braucht Anregungen. Durch Lektüren, Lesungen, Vorträge und Konzerte. Schließlich kann man nicht die ganze Zeit aus sich schöpfen. Zumindest ich kann das nicht.

Wie ist das, wenn alles, was man erlebt auch sofort Arbeitsmaterial für ein Buch ist. Und vielleicht daraus resultierend: Wie wählt man aus?

Ich gehe da, ehrlich gesagt, immer ganz naiv dran. Ich plane meinen Alltag nicht danach, was ich schreiben will, sondern umgekehrt: Ich lebe einfach und schreibe es auf. Das ist oftmals natürlich sehr banal. Ich habe einen gewissen Anspruch daran, wie ich etwas notiere, aber nicht was. Erst nach einer gewissen Zeit und der erneuten Lektüre, stelle ich fest, dass sich bestimmte Themen und Motive zu einer Geschichte oder einem Buch verbinden. Ab dem Moment beginnt die schriftstellerische Arbeit – und es macht eigentlich keinen Unterschied, ob das Geschehen erfunden ist oder real. Jetzt geht es um die Gestaltung, die Suche nach der passenden Formulierung und dem literarischen Stil. Das ist wie bei einer Bildhauerin, die einen Fels vor sich hat. Die Skulptur ist darin, man muss nur noch das Überflüssige wegschlagen. Aber das ist natürlich das Schwierigste.

Und wie würdest Du generell in der Gegenwart die Bedeutung von autofiktionalem Schreiben einstufen bzw. warum ist das eine Art der Literatur, die Du verfolgst? 

Ich glaube, dass in den letzten Jahren eine Frage an literarische Texte immer dringender geworden ist: Die Frage nach der Relevanz. Viele Autorinnen und Autoren haben sich zur Beantwortung der Frage, was wirklich relevant für sie ist, entschieden, direkt von sich in der ersten Person zu erzählen. Also ohne den Umweg der Erfindung von Handlung und Charakteren. Sie verzichten damit auf einen Filter, aber natürlich auch auf einen gewissen Selbstschutz. Diese Direktheit, diese Geradlinigkeit wird von vielen Leserinnen und Lesern geschätzt. Auch von mir.

 

In TORONTO kann man mit dir eine ganze Reihe von Kulturveranstaltungen, darunter Lesungen, Konzerte und Comic-Shops besuchen und erleben und dabei sozusagen über diesen Umweg eine Menge über die kanadische Mentalität erfahren. Wie bewusst ist dir diese Herangehensweise?

Das war tatsächlich eine sehr bewusste Herangehensweise. Denn ich glaube, dass man viel über ein Land, eine Stadt und seine Einwohner erfährt, wenn man sieht, wie sich die Leute auf Konzerten verhalten oder in Sport Bars, wer zu welchen Lesungen geht und wie Kultur wahrgenommen wird. Außerdem macht es natürlich auch sehr viel Spaß, gerade in einem Einwanderungsland wie Kanada. Besonders faszinierend für mich als Comic-Fan war Kanada deshalb, weil so viele Einflüsse zusammenkamen. Etwa die amerikanische Comictradition mit Superhelden und Disney, die frankobelgische mit Tim & Struppi und die japanische Mangakunst. Das macht die kanadische Comicszene, aber nicht nur die, so vielseitig und abwechslungsreich.

In deinen Aufzeichnungen erzählst du ausführlich von den städtischen, aber auch den Naturfaszinationen. Was war denn für dich letztlich prägender?

Die Naturerfahrung ist natürlich überwältigend. Und eigentlich möchte ich angesichts der Schönheit auf der Stelle alles stehen und liegen lassen und der Zivilisation den Rücken kehren und Einsiedler werden oder der Mann aus den Bergen. Kanada hat mir viele unvergleichlich schöne Bilder in meine Erinnerung gepflanzt, und auch ein gewisses Fernweh. Aber noch prägender war wahrscheinlich die Erfahrung, die ich in Toronto gesammelt habe, nämlich zu erleben, wie bereichernd es ist, in einer multikulturellen und toleranten Gesellschaft zu leben. Da geht Kanada ja auch einen anderen Weg als Amerika. In Amerika herrscht eher dieses Melting-Pot-Prinzip, alle kommen in einen Topf, werden gekocht oder frittiert und raus kommt dann so ein Durchschnittsamerikaner. In Kanada ist es eher so, dass die Menschen ihre Eigenheiten und Traditionen behalten und zur Schau stellen dürfen und alle eingeladen sind, mitzufeiern. Zumindest in der Theorie, sicherlich hat auch Kanada seine Probleme, aber im Vergleich gerade zu Deutschland fällt sofort auf, wie bunt und weltoffen und freundlich die Gesellschaft ist. Das hat mich sehr glücklich gemacht, zu sehen, dass es wirklich funktioniert und wie angenehm und interessant es das Leben dort macht. Darüber wollte ich unbedingt berichten und auch deshalb habe ich das Buch geschrieben. TORONTO ist in diesem Sinne auch ein Buch über das Glück.

Marc Degens hätte eigentlich am 2. April bei der Lesereihe "Hafenlesung" gelesen. Da sie den Umständen entsprechend ausfallen musste, gab es eine Online-Edition, bei der Marc Degens aus "Toronto" gelesen hat: 

Ein weiteres Gespräch mit Marc Degens ist außerdem im Podcast von Bookgazette zu finden:

 

Toronto - Aufzeichnungen aus Kanda 

von Marc Degens 

144 Seiten 

ISBN 978-3-938539-59-0

12,- Euro 

 

 

 

 

 

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