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"The Parisian Way" – Wandrille von WARUM über seinen Verlag und die französische Comic-Szene

 

Von Peter Reichenbach

 

Wir sind froh, Wandrille vom Comic-Verlag WARUM noch treffen zu können, er ist nämlich schon fast auf den Weg nach Berlin zum Comicfestival Invasion Berlin, welches er sogar gemeinsam mit Marc Seestadt ins Leben gerufen hat, als er eine Zeit lang in Berlin wohnte. Wandrille spricht hervorragend Deutsch. Überhaupt ist Wandrille jetzt schon der zweite unserer französischen Gesprächspartner, der Deutsch spricht. Von ihm wollten wir wissen, wie man in Frankreich Comics macht und welche Unterschiede es zu Deutschland gibt.

 

Wandrille, warum sprichst du eigentlich so gut Deutsch?

Das liegt eigentlich an meinem Vater, der ein viel besseres Deutsch spricht als ich. Aber Deutsch war meine erste Fremdsprache und auch die meiner beiden Brüder. So haben wir auch zu Hause viel Deutsch gesprochen, während des Essens z.B. Und vor sechs oder sieben Jahren hatte ich Lust auf etwas anderes als Paris, wollte Neues kennenlernen. Ich hatte einen deutschen Freund, der sagte: „Komm nach Berlin, du kannst Deutsch, deinen Verlag kannst du auch von hier aus führen und es ist so günstig!“ Und in Berlin habe ich dann noch mal in der Volkshochschule Deutschkurse belegt. Eigentlich wollte ich für ein Jahr bleiben, daraus sind dann vier  geworden. Jetzt nutze ich jede Gelegenheit, die ich kriege, um Deutsch zu sprechen und zu schreiben. Außerdem habe ich in Berlin das Comic-Festival Invasion Berlin gegründet und fahre dort morgen auch wieder hin, das läuft echt super. Ich organisiere das Festival nicht mehr, von Zeit zu Zeit mache ich dort aber einen Comic-Clash usw. 

 

Und wie würdest du die Comic-Szene in Frankreich beschreiben?

In Frankreich gibt es sehr viele unterschiedliche Comic-Szenen, so gibt es zum Beispiel viele unterschiedliche Comic-Festivals, wo man dann auch nur die eine bestimmte Comic-Richtung finden wird. So gibt es etwa Festivals, die nur das Thema "Comic & Wein" haben. Ich hatte im Verlag Delcourt ein Comic über die Weinlese geschrieben, Premières vendanges, und ich war bei all diesen Comic & Wein-Festivals eingeladen. Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen: Es gibt viele davon!

 

Als ich nach Berlin gekommen war, stand die Comic-Szene dort eigentlich noch recht am Anfang, inzwischen ist es sehr gewachsen. Und eigentlich ist sie genau jetzt am interessantesten, sie ist noch jung, nicht zu groß und man kann einen guten Überblick über alle Künstler bekommen. In Frankreich ist die Szene so groß, dass selbst ich viele Künstler nicht kenne.

Wie bist du dazu gekommen, einen Comic-Verlag zu gründen?

Ich habe ein Jahr als Freelancer gearbeitet und "Freelancer" bedeutet bei uns: Keine Aufträge haben und dabei sehr depressiv sein. Dann traf ich einen Bekannten meiner Eltern, der Verleger in einem katholischen Verlag war. Und auf mich machte er immer einen sehr glücklichen Eindruck. Also sagte ich ihm, dass ich auch Verleger werden wolle. Da sagte er: „Nein, mach das nicht, werde auf gar keinen Fall Verleger, der Beruf ist die Hölle, das willst du nicht machen.“ Und da dachte ich, okay "Beruf der Hölle", das aus dem Mund eines katholischen Verlegers, das klingt interessant. Und als ich dann wenig später einen alten Freund traf, der auch gerade "Freelance" arbeitete, erzählte dieser mir doch tatsächlich, dass er Verleger werden wolle. So wie ich! Und so redeten wir und ich sagte  the parisian way: "Lass es uns doch einfach zusammen machen." Ihr müsst allerdings wissen, dass the parisian way heißt, dass man etwas zwar sagt,  man würde im Leben aber nicht daran denken, es ernst zu meinen. Das Problem war aber, dass mein Freund nicht ursprünglich aus Paris kommt, er meinte es also ernst und rief mich immer wieder an und machte Vorschläge – und so gründeten wir WARUM. Unser eigentliches Ziel war dabei, dass wir vor allem unsere eigenen Comics veröffentlichen wollten und dadurch andere, größere Verlage auf uns aufmerksam werden sollten. Nun ja, das hat natürlich so nicht funktioniert.


Jetzt bist du mit WARUM aber Teil einer Gruppe?

Ja, ich bin mit WARUM Teil der Steinkis Groupe, und das ist eine totale Erleichterung für mich. Wirklich, das war das Beste, was mir passieren konnte. Ich habe zwei, drei Mal meine Mitverleger gewechselt. Mein Freund, mit dem ich den Verlag ursprünglich gegründet hatte, konnte mich nach sechs Jahren einfach nicht mehr sehen. Wir sind trotzdem gute Freunde geblieben. Andere Freunde haben dann seinen Anteil gekauft, die hatten mit dem Tagesgeschäft aber nichts zu tun, ich konnte machen was ich will. Jetzt kann ich natürlich nicht immer machen, was ich will, mein Mitverleger Moïse muss einverstanden sein. Für mich ist das aber trotzdem gut, ich habe auch weiterhin einen Freischuss pro Jahr, einen Titel, bei dem ich sagen kann: Lass es uns trotzdem machen. Normalerweise mache ich also 15 Bücher pro Jahr. Und da mache ich wirklich alles, außer eben die Finanzen; und die Pressearbeit habe ich auch abgegeben.

 

 

Wie ist das mit den Buchhandlungen für Graphic-Novels und Comics. Gibt es in Frankreich viele Buchhandlungen, die sich darauf spezialisiert haben

Ja! Sehr viele! Ich würde sagen ca. 400 Buchhandlungen, die nur Comics machen. Und dann kommen noch die normalen Buchhandlungen mit einer Comic-Abteilung hinzu. In Frankreich ist die Comic-Szene echt groß. Das Problem das wir aber haben, ist, dass es auch extrem viele Neuerscheinungen gibt, etwa 5.000 neue Comics pro Jahr. Das bedeutet, dass dein Comic nur zwei Wochen in der Buchhandlung steht, in der Zeit musst du es schaffen, deinen Comic zu verkaufen, danach schicken sie ihn dir zurück. Es kommt also immer seltener vor, dass sich ein Buch auch über einen längeren Zeitraum verkauft. Es gibt natürlich Comics, die 200 000 Mal verkauft werden. Und ein neuer Asterix-Band verkauft sich sicherlich 2 Millionen Mal. Aber insgesamt ist es schwieriger geworden, auch für die größeren Verlage.

Du bist  auch selbst Autor verschiedener Comicbücher?

Das hier ist ein Buch, das ich geschrieben habe, Fernand the polar bear, es ist super schrecklich, es geht um einen Eisbär, der sich mit jedem anlegt, der ihm begegnet. Das ist meine Seele. Nimm es gerne mit, du wirst sehen, du kannst es auch mit Kindern lesen. Und dann mache ich auch Kartenspiele, dieses hier ist schon das dritte. Ich erkläre es euch: Es gibt vierzig Karten, auf denen ich vierzig unterschiedliche Frauen gezeichnet habe. Das Ziel des Spiels ist es, möglichst viele Frauen zu kriegen. Jede Karte hat eine Punktzahl, von 1 bis 10. Je besser die Frau aussieht, desto höher die Punktzahl. Na klar, what else. Und dann gibt es noch weitere Kategorien, Moral, Erfolg, Klasse usw. Naja, natürlich alles sehr selbstironisch und lustig. Man spielt es wie ein Quartett. Voilà.

 

Wie findest du die Comics, die du veröffentlichen willst?

Ich war zum Beispiel dieses Jahr auf der Buchmesse in Leipzig. Und das war wirklich ganz toll, es war mein erstes Mal. Besonders mochte ich das gleichzeitig stattfindende Comic-Festival The Millionaires Club in der Kolonnadenstrasse. Ich habe so viele coole Autoren gesehen und so viel Geld für Comics ausgegeben … Das hat sich jedenfalls sehr gelohnt, da hin zu gehen. Und ich habe dort sogar ein Projekt gefunden. Das heißt, ich kannte es zwar schon vorher, doch es war schwer, den richtigen Kontakt zu bekommen, also bin ich zu ihm hingegangen, habe ihm ein Comic abgekauft und gesagt: Hör zu, ich will dieses Buch unbedingt in Frankreich herausgeben!

 

Ich habe gesehen, dass du auch ein paar Comics aus Deutschland im Programm hast?

Ja, das stimmt, hier habe ich eines über den Ersten Weltkrieg: Des lignes du front oder Frontlinien von David Möhring und Philip Rieseberg. Es ist sogar zweisprachig, deutsch und französisch. Ich habe es 2013 veröffentlicht, das war ganz und gar ungeplant, ich wusste einfach nicht, dass in folgendem Jahr das Jubiläum war, ich bin ganz schlecht mit sowas. Aber das war natürlich im Nachhinein ein Glück. Die beiden Autoren sind zwei deutsche Freunde von mir, die dann überall eingeladen wurden, das war toll.

 

Ja, und für diesen Comic hier - Vater und Sohn von Erich Ohser - habe ich sogar einen Preis auf dem Internationalen Comicfestival von Angoulême erhalten. In Frankreich kannte das niemand, keiner hatte vorher von Vater und Sohn gehört. Und es war immer schon mein Traum, das zu veröffentlichen, und als es dann vor ein paar Jahren gemeinfrei wurde, habe ich das Material gekauft und wirklich viel Arbeit drauf verwendet, es neu zu layouten, denn das ursprüngliche war katastrophal. Und als es endlich erschienen ist, ist ein Traum wahr geworden. Danach hätte ich den Verlag eigentlich schließen können. Obwohl, ich will auch noch Comics von Mawil übersetzen, ich halte ihn für einen der interessantesten deutschen Autoren …


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