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"Manchmal muss man es einfach riskieren" - Dana Burlac, Lektorin bei Éditions Denoël

Für unser letztes Interview in Paris sind wir in einem kleinen Eckcafé verabredet, wir sind jeden Tag etwa 20 Kilometer zu Fuß durch die Stadt gelaufen und etwas platt. Aber die Sonne scheint, wir bestellen Espresso, so langsam finden wir in den Rhythmus der Stadt rein. Verabredet sind wir heute mit Dana Burlac, Lektorin bei Éditions Denoël. Der Verlag besteht bereits seit 1930 und gehört schon länger zur Verlagsgruppe Gallimard. Von Dana wollten wir gerne wissen, wie sie Bücher für ihr Programm auswählt.

 

Dana, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein Treffen mit uns genommen hast!

Gerne! Ihr seid ja schon eine Woche hier, ihr habt bestimmt schon viele Verlage getroffen, oder? Falls die euch denn geantwortet haben?

 

Haha, ja, lustig, dass du das sagst – tatsächlich haben viele auch einfach nicht geantwortet auf unsere Mails.

Typisch Franzosen! Die antworten irgendwie nie. Das ist doch verrückt. Es ist wirklich eine Krankheit.

 

Ja, leider. Aber zu Dir: Kannst Du uns etwas über Deine Arbeit und Euren Verlag erzählen?

Ich habe früher bei Flammarion gearbeitet, sechs Jahre lang, ich war dort für die fremdsprachige Literatur zuständig. Dann bin ich vor fast fünf Jahren zu Denoel gewechselt, hier mache ich zusätzlich auch ein wenig französische Literatur. Wir gehören zu Gallimard, was gut ist, weil es einiges an Sicherheit mit sich bringt, außerdem übernehmen sie für uns den Vertrieb und die Honorarabrechnungen, zugleich sind wir aber ziemlich eigenständig und haben viele Freiräume. Wir sind ein Team von 9 Leuten und veröffentlichen etwa 60 Bücher pro Jahr, was sich viel anhört, aber darunter sind auch ganz verschiedene Bereiche wie Graphic Novel oder Science Fiction, Krimis und Thriller, auch Unterhaltungsliteratur, überhaupt ist die Literatur bei uns nicht allzu verkopft, die richtige Hochliteratur würde dann innerhalb der Gruppe eher direkt bei Gallimard erscheinen. In der Literatursparte von Denoel liegt der Schwerpunkt auf der fremdsprachigen Literatur, schon in den Anfängen war der Verlag dafür bekannt, zum Beispiel mit Jack Kerouac.

 

Und sag mal, Sachbücher werden eher selten übersetzt?

Das wurde früher mehr gemacht. Aber die Übersetzung ist teuer und es verkauft sich meist schlecht.

 

Viele Sachbuchthemen lassen sich auch schlecht in andere Länder übertragen, oder?

Genau. Das ist manchmal natürlich schade, wenn man mit Agenten oder ausländischen Verlagen spricht, dann erzählen sie einem von tollen Autoren etwa aus dem Irak, die über dies oder jenes Thema schreiben – aber zumeist ist es für uns viel einfacher, zum gleichen Thema einen französischen Autor zu finden. Sachbücher traveln also nur sehr selten erfolgreich – entweder ist es dieses schwedische Wohlfühl-Dings …

 

Hygge?

Voila!

 

Lustig, das ist ja wirklich überall. Ist das in Frankreich sehr angesagt?

Ja, ich glaube schon – es ist nicht so riesig wie bei euch, aber schon ein Thema. Aber wie gesagt, es muss halt schon ein sehr breites Thema sein – Bücher übers Ordnung halten, japanische Bücher darüber, wie man länger lebt, sowas in der Art. Aber auch französische Sachbücher machen wir inzwischen nicht mehr so viele, da gibt es einfach andere Verlage, die darauf spezialisierter sind.

 

Was sind für Dich die besten Momente Deiner Arbeit?

Ich muss einfach sagen: Ich liebe meinen Job. Es liegt aber auch an meiner Chefin, sie ist einfach großartig. Und mir gefällt auch, dass kein Tag wie der andere ist. Natürlich: Man bekommt in dieser Branche nicht viel Geld, hat viel Arbeit, muss verhandeln, Verträge machen und so, aber es ist einfach eine interessante, vielfältige Tätigkeit, ich kann viel Einfluss auf die Ergebnisse nehmen, ich arbeite eng mit dem Gestalter zusammen, und ich kann das Image des Verlags mitbestimmen. Vor allem auch in den sozialen Netzwerken, die mir Spaß machen, Twitter mag ich persönlich jetzt nicht so, aber ich mache viel auf Instagram, Facebook und Youtube, daher bin ich im Verlag auch für die Betreuung der sozialen Netzwerke zuständig. Die Booktuber werden auch hier immer wichtiger.

 

 

Habt ihr durch die anstehende Frankfurter Buchmesse mehr Lizenzen nach Deutschland verkaufen können als sonst?

Was mir auf jeden Fall aufgefallen ist: Wie aktiv die deutschen Verlage sind, wie viel da eingekauft wird, und wie viel Geld da im Spiel ist. Unsere deutschen Lizenzen werden über die Agentur Michael Gaeb vergeben, und ich glaube, wir haben dieses Mal ziemlich viel verkauft, ja. Vor allem, wenn die Bücher einen bestimmten französischen vibe haben, dann kaufen die deutschen Verlage das sofort. Aber das scheint mir irgendwie neu zu sein. Vielleicht liegt es tatsächlich an der Messe, stimmt. Lesen die Deutschen denn viel Literatur aus Frankreich?

 

Hm, keine Ahnung, aber es ist zumindest die zweitmeistübersetzte Sprache bei uns, nach dem Englischen. Und an welchen aktuellen Projekten arbeitest du gerade?

Wir bereiten gerade die nächste Rentrée littéraire vor, und dafür mussten die meisten Bücher jetzt schon fertig gedruckt sein, damit wir sie als Leseexemplare verschicken können. Das ist natürlich verrückt und wahnsinnig aufreibend, jetzt im Mai schon alles fertig zu haben. Ich bearbeite also gerade die aktuellen Herbsttitel und kaufe parallel schon neue Titel für 2018 ein. Bei der Titelrecherche kommt es mir sehr entgegen, dass mein Vater aus Südamerika kommt, daher spreche ich fließend Spanisch, und ich habe mein halbes Leben in den USA und in Brasilien gelebt, Englisch und Portugiesisch kommen also dazu, außerdem habe ich Hebräisch gelernt. Ich habe also viele Sprachräume, in denen ich nach Büchern suchen kann. Deutsch kann ich leider nicht, aber da habe ich einen Gutachter, dem ich vertraue.

 

Wie findet man eigentlich so einen Gutachter? Woher weiß man, dass dessen Literaturgeschmack dem eigenen entspricht?

Im Laufe der Jahre trifft man viele Leute, die in Frage kommen. Eine ehemalige Praktikantin etwa hat mir mal ein Buch beschrieben, und ich mochte nicht nur, was sie über das Buch sagte, sondern vor allem, wie sie es sagte. Und sie hat es dann auch übersetzt, die Übersetzung war großartig. Fürs Deutsche habe ich jetzt glaub ich auch jemand passenden gefunden. Aber wir sind natürlich ein kleiner Verlag, wir können uns nicht so wahnsinnig viele Gutachter leisten, daher finde ich diese fellowships (Austauschprogramme für Verlagsleute) so prima, da trifft man andere Lektoren und empfiehlt sich Titel. Aber es ist nicht so einfach, wenn man die Sprache selbst nicht spricht. Daher sind englische Leseproben immer sehr hilfreich, und seien es auch nur zehn Seiten.

 

Glaubst du denn, man kann Romane auf Basis einer kurzen Leseprobe kaufen?

Wenn ich politisch korrekt wäre, müsste ich sagen: Nein, auf keinen Fall. Aber hin und wieder muss man sich einfach auf sein Bauchgefühl verlassen, dann kriegt man noch eine Leseprobe vom Scout oder lernt die Autorin kennen oder so – und wenn alle Aspekte irgendwie gut zusammenpassen, muss man es manchmal auch einfach riskieren.

 

 


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