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"Wir arbeiten an der Bibliodiversität" - Die International Alliance of Independent Publishers

Von Daniel Beskos

 

 

Von der Existenz einer International Alliance of Independent Publishers habe ich erst vor kurzem erfahren, als mir der liebe Kollege Jörg Sundermeier (oben im Bild dritter von links) im Rahmen des diesjährigen Indiebookdays eine Mail von Laurence Hugues weiterleitete, die die Alliance vertritt und der die Idee des Indiebookdays gefiel. Sie half uns dann dabei, ihn auch unter unabhängigen Verlagen in Frankreich, Lateinamerika und Kanada etwas zu verbreiten. Aber natürlich waren wir neugierig geworden: So eine Vereinigung gibt es? Und was macht die überhaupt?

 

Gegründet wurde die Alliance 2002, sie ist in 6 Sprachräumen organisiert (English, Französisch, Arabisch, Spanisch, Portugiesisch und Farsi) und vertritt über 400 Verlage in aller Welt, die Zentrale ist in Paris. Deutsche Verlage sind derzeit noch nicht dabei, aber es gibt Überlegungen, mit der Kurt-Wolff-Stiftung (D) und SWIPS (CH) zusammenzuarbeiten. Gefördert wird die Vereinigung durch verschiedene Institute und Stiftungen u.a. in Frankreich und der Schweiz. Organisiert werden u.a. der internationale Austausch zwischen den Verlagen über Konferenzen und sogenannte Co-Editions, also Buchprojekte, bei denen viele Verlage zugleich das gleiche Buch in ihrem jeweiligen Land veröffentlichen – ein Phänomen, das man bei uns am ehesten aus dem Bereich der Kinderbücher kennt, das aber für eine Sprache wie etwa Französisch, das in diversen Ländern der Welt (u.a. auch in Afrika) gesprochen wird und somit sehr vielfältige Buchmärkte abdeckt, aber natürlich nochmal eine ganz andere Relevanz hat. Grundgedanke dabei ist, dass Literatur vom Süden in den Norden gebracht werden soll – also etwa aus den französischsprachigen Ländern Afrikas in die Industrienationen, oder auch aus Lateinamerika nach Europa.

 

Das wollten wir uns gerne etwas genauer anhören - zum Glück für uns ist der Sitz der Alliance in Paris, also haben wir sie natürlich gleich besucht. Unsere Gesprächspartner sind Clémence Hedde und Matthieu Joulin vom Pariser Büro der Alliance.

 

Clémence, Matthieu, danke, dass ihr Zeit für uns habt – kann denn jeder mitmachen bei der Alliance?
Matthieu: Wir vertreten ja schon recht viele Verlage und Zusammenschlüsse in aller Welt, daher müssen wir etwas aufpassen, dass das Ganze nicht zu unüberschaubar wird.

Euer Ziel ist es also nicht, irgendwann alle unabhängigen Verlage der Welt zu vertreten?
Clémence: Nein, das geht auch nicht – wir versuchen eher, eine Dynamik innerhalb der Gruppe zu kreieren, die interessante Projekte ermöglicht. Wenn die Gruppe aber zu groß würde und wir sowas wie die United Nations of Independent Publishing wären, würde das irgendwann nicht mehr so gut funktionieren. Daher wachsen wir lieber langsam und sorgfältig.

Könnt ihr mal von konkreten Projekten eurer Arbeit erzählen?
Matthieu: Ja, los ging es alles mit sogenannten Co-Publishing-Projekten, wir nennen sie fair co-publishing projects. Die Idee dabei ist es, gleichwertige Beziehungen zwischen Nord und Süd herzustellen. Zum Beispiel werden viele afrikanische Autoren meist direkt von französischen Verlagen veröffentlicht, die die Bücher zwar auch nach Afrika exportieren (also in die Heimatländer der Autoren wie etwa Senegal oder Elfenbeinküste), sich dabei aber kein Stück um die dortigen Verhältnisse kümmern, etwa den Ladenpreis, den sie nach französischen Maßstäben ansetzen, der aber für dortige Kunden natürlich viel zu teuer ist, nicht zuletzt auch durch den aufwändigen Transport, und sie kennen in der Regel auch die Läden nicht, in denen im Land Bücher verkauft werden. Zudem haben sie oft keine Möglichkeit, vor Ort Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Ein Autor aus dem Senegal hat es also schwer, in seiner Heimat wahrgenommen zu werden. Daher ist der Export der Bücher nach Afrika für die französischen Verlage auch nicht sehr lukrativ. Also haben wir die Reihe terres solidaires gegründet, mit der wir versuchen, Autoren und Bücher quasi zu repatriieren. Was wir bei bisher 10 Büchern gemacht haben ist, die Auslandsrechte für diese Länder von den französischen Verlagen zu erwerben und dann in vielen Ländern in Afrika Verlage zu finden, die diese Rechte gemeinsam erwerben.

Clémence: Das hier ist etwa die französische Ausgabe, sie kostet 9 Euro, und das hier ist die panafrikanische Ausgabe, die in Algerien, Elfenbeinküste, Marokko, Mali und vielen anderen Ländern von unterschiedlichen Verlagen veröffentlicht wird und um die 3 Euro kostet. Die Gesamtauflage ist dennoch recht klein, alle zusammen vielleicht 2000 Exemplare. Entsprechend sind die Rechte dafür auch nicht so teuer.

 

Matthieu: Es gibt für diese Reihe ein Komitee aus afrikanischen Verlagen und Buchhändlern, das gemeinsam entscheidet, welche Bücher veröffentlicht werden.

Und die Alliance ist in diesem Fall sowas wie eine Agentur?
Clémence: Ja, genau. Und wir empfehlen den afrikanischen Autoren auch, ihre Rechte für die afrikanischen Länder zu behalten. Und ohne uns gäbe es das ganze Modell so auch nicht, zumal wir auch Fördergelder etwa für diese Reihe einholen können. Nach jetzt 10 Büchern können wir sehen, wie gut die gemeinsame Zusammenarbeit funktioniert.
Fürs Cover machen dann alle oder einige Vorschläge und geben sie in die Runde, und dann wird abgestimmt. Es geschieht also alles gemeinsam – manchmal auch ein bisschen zu gemeinsam, dann ist es etwas mühselig, so viele verschiedene Meinungen unter einen Hut zu kriegen.

Aber das afrikanische Cover ist eigentlich noch schöner geworden als das französische, oder?
Clémence: Ja, finden wir auch!

Könnte man das gleiche auch in anderen Sprachräumen machen?
Clémence: Ja, zum Beispiel im Englischen gibt es ähnliche Modelle für die unterschiedlichen Märkte in den USA, Großbritannien, Australien, Kanada, Südafrika, Indien, Neuseeland usw. Hier haben wir etwa ein Buch aus dem Französischen, aber da funktioniert es etwas anders, die Verlage arbeiten viel eigenständiger, aber sie haben sich die Kosten für die Übersetzung, das Lektorat und das Korrektorat geteilt. Und in diesem Fall auch die Rechtsberatung, die hier sehr kostspielig war – denn es ist ein Buch gegen Monsanto.

Matthieu: Inzwischen machen einige Verlage, die sich über uns kennengelernt haben, manchmal auch Co-Publishing-Projekte ohne uns.

Clémence: Es gibt auch einen sehr bekannten Fall, wo es umgekehrt gelaufen ist: Barzakh, ein algerischer Verlag, war bei einem dieser Projekte dabei und erwarb dabei Rechte von Actes Sud. Dann irgendwann hat er im Gegenzug einen seiner eigenen Autoren, Kamel Daoud, an Actes Sud verkauft. Das Buch wurde dann ein riesiger Erfolg, es ist in 15 Sprachen übersetzt und hat diverse Preise bekommen. Man sieht also, dass auch die französischen Verlage ein Interesse an dieser Art von Partnerschaften haben sollten.

Matthieu: Und in Lateinamerika ist es alles etwas anders, weil viele spanische oder portugiesische Verlage eigene Büros in Lateinamerika betreiben und ein viel besser ausgebautes Netzwerk haben; der Markt dort ist ja auch viel größer als in Afrika. Sie geben dann eher eigene Ausgaben für diese Länder heraus.
Ein anderes Projekt, an dem wir gerade arbeiten, ist der Versuch, die Regeln der verschiedenen Buchmärkte, etwa in Lateinamerika oder in den arabischen Ländern, zusammenzustellen und so auch transparent und vergleichbar zu machen.

Clémence: Da kommt dann unser Thema Bibliodiversität wieder ins Spiel. Zu dem Thema gibt es auch ein Buch, das auch ins Deutsche übersetzt wurde, es ist in Deutschland im Verbrecher Verlag erschienen.

Matthieu: Außerdem gibt es Workshops zu verschiedenen Themen wie digital publishing, wo es bei vielen Verlagen Beratungsbedarf gibt. Da achten wir darauf, dass es möglichst Vorträge und Austausch unter Kollegen sind, nicht so sehr externe Experten, die eine Präsentation machen.

Vor kurzem haben wir im Netz zwei junge schottische Verlegerinnen entdeckt, die gerade per Crowdfunding versuchen, eine Webseite zu bauen, die alle unabhängigen Verlage der Welt auflistet.
Clémence: Oh, ambitioniertes Projekt!

Ja, hört sich nach viel Arbeit an. Und ich bin nicht sicher, ob sie eure Institution kennen – das sollten sie aber natürlich, wir schicken ihnen mal euren Link.
Matthieu: Ja, unbedingt. Wir beauftragen ja auch wissenschaftliche Studien zum unabhängigen Publizieren, mit Schwerpunkten etwa auf der frankophonen Welt, im digitalen Bereich oder wie in unserer neuesten Studie auf der Frage, ob es überhaupt freies Publizieren gibt, und haben daher einen ganz guten Überblick.

Clémence: Und dabei geht es uns auch darum, zu definieren, was independent überhaupt bedeutet oder ausmacht. Dabei gibt es natürlich immer Diskussionen – geht es darum, nicht Teil einer Gruppe zu sein? Oder nicht zu groß zu sein und machen zu können, was man möchte? Die Antworten darauf sind in den verschiedenen Ländern zum Teil sehr unterschiedlich. Aber wir versuchen, dabei auf keinen Fall dogmatisch zu werden.

 


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