Von Daniel Beskos
Sich nicht entscheiden zu müssen, schon gar nicht für ein vorgefertigtes Leben, wie es alle führen – das war schon von Anfang ein Thema bei Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff.
"Egal kann so schön sein, und ich hoffe, wir sind bald wieder so schön egal", hieß es auf dem Debütalbum "Bodenangst" (2009). In einem Rutsch wurde diese Platte damals aufgenommen, an einem Tag im Studio hintereinander weg eingespielt, eigentlich eher aus Versehen, dieser allererste Alleingang des damals erst 23-jährigen Würzburgers. Und auch wenn die Instrumentierung mehr als spärlich war, eigentlich nur eine akustische Gitarre, dazu Gesang, so war jedem schon nach dem ersten Hören sofort klar, dass hier einige richtig große Songs versammelt waren. Dass hier einer singt, der nicht nur etwas zu erzählen hat, sondern dies auch noch auf ganz besondere Art und Weise kann. Das lag natürlich auch an dem untrüglichen Gespür für große Melodien, das sich bis heute durch die Musik von Spaceman Spiff zieht. Vor allem aber lag es an den wunderbaren Texten. Texten, die in ihrer Stärke und Ausdruckskraft unter den Songwriterkollegen eigentlich ihresgleichen suchen. Die perfekt die Gratwanderung zwischen Melancholie, Ernsthaftigkeit, Glück und ein klein wenig Pathos beherrschen. Und die so voller Lieblingssätze sind, dass man sie "sofort twittern und dafür alle Grimme-Online-Preise für die nächsten zwanzig Jahre gewinnen könnte", wie es in einer Rezension heißt.
Und das Mädchen macht die Augen zu und lauscht:
"Hey hör mal her,
merkst du nicht, das ist die Autobahn, die rauscht
und nicht das Meer"
und sie hat Recht
das Leben schlägt dir ins Gesicht
die Nase blutet
die Beine nicht
("Gedankenstricke II")
Auf dem zweiten Album "und im fenster immer noch wetter" (2011) holte sich Spaceman Spiff Verstärkung und wurde zur Band. Mit Felix Weigt (Die höchste
Eisenbahn) und Jonny König ("Stoiber on drums") haben sich ihm dabei zwei Ausnahmemusiker angeschlossen, die mit ihrer Mischung aus Percussion, Streichern, Klavier,
Bässen und Xylophon oftmals vergessen lassen, dass hier nur ein Trio am Werk ist. Und während alles auf Album Nummer 1 noch wie ein Versehen wirkte, wie eine tolle Sache, die man aus dem
Handgelenk schüttelt, hinterher aber nicht mehr weiß, wie man das gemacht hat – auf Album 2 wurde klar, hier singt einer, der weiß, was er tut. Der es schafft, genau das in Worte zu fassen, was
einem selbst als Gedanken oftmals durch die Lappen geht. Der mit einfachen Texten die ganze Kompliziertheit des Lebens aufzeigt, dessen Texte aber für jeden sehr individuell erlebbar sind, ganz
einfach und direkt. Und der das Ganze dabei auch noch in große Melodien verpacken kann.
Du und ich und eine Schneeballschlacht
wir bewerfen uns mit Schnee von gestern
und du wirfst wie ein Mädchen
aber triffst, wo es weh tut
("Schnee")
Dann begann eine aufregende Zeit mit über 130 Konzerten, Touren mit Band und allein, gemeinsamen Auftritten mit Autoren in Deutschland, den Niederlanden, Island, Polen, Österreich, der Schweiz, einem Preis fürs beste Bühnenprogramm 2012 und begeisterten Kritiken in Musikpresse und Feuilleton:
"Die Songs klingen so aufrichtig, so nachdenklich, so nackt und direkt, dass es einem schier den Boden unter den Füßen wegreißt." (Szene Hamburg)
"Es sind diese Zeilen, die Spaceman Spiff in ein eigenes Sonnensystem katapultieren." (Rheinische Post)
"Spaceman Spiff singt Sätze, die man in Neonrot an alle Fassaden sprayen will." (U-MAG)
"Wie verheulte Augen am nächsten Morgen. Berührend ohne Kitsch." (INTRO)
"Da muss auch die härteste Baseballschläger-Type bestimmt mal ein Tränchen verdrücken. ... und im fenster immer noch wetter lässt nämlich keinen einfach so entkommen." (OX (9 von 10
Punkte))
Im Anschluss entzog sich Hannes Wittmer dann erstmal dem Rummel und seiner Rolle als Spaceman Spiff und ging für einige Monate nach Neuseeland. Wo man Bergsteiger sein kann. Wo die Notizbücher
weiß und leer sind. Und wo man viel über sich und seinen Blick auf die Welt lernen kann: "Dieser Nebel ist nur Milchglas, und selbst der Ozean ist nur ein großer See."
Dort, am Ende der Welt, sind auch die meisten der neuen Songs entstanden. Sie alle erzählen von dem Thema, dass sich schon immer als roter Faden durch die Arbeit von Spaceman Spiff zieht:
Eigentlich haben wir hier alle ein traumhaftes Leben – und doch tun wir uns schwer, sind dem Stress nicht gewachsen, dem Erwartungsdruck oder haben schlicht keine Lust, den für uns
vorgezeichneten Weg zu gehen. Und in den Momenten, in denen es die tägliche Mühle zulässt, wird uns auch immer klarer, wonach wir uns sehnen: Nach weniger. Nach einer einsamen Wanderung im
Niemandsland. Nach der Ruhe selbst. Danach, dass die Zeitverfluggeschwindigkeit wieder langsamer wird. Dass wieder mehr Zeit und Raum wird, für gute Freunde, tiefe Gespräche, echte Gefühle.
Im Januar 2014 erscheint nun das dritte Album. Es enthält 12 sehr gute Freunde. Oft geht darin die Sonne auf. Manchmal geht sie auch unter. Ab und zu fällt etwas Regen, allerdings langsamer als
sonst. Es wird gegen Wände gelaufen, in Löcher gefallen und wieder rausgeklettert. Manchmal ist man am Strand, dann ist es ganz besonders schön, auch mit Sand in den Schuhen. Hin und wieder
knallen Schlagzeug und Streicher rein, dann wird es auch schnell mal hymnisch. Meistens bleibt es aber ganz nah bei uns, ganz nah am Ohr. Eins ist klar: Dieses Album wird uns gut durchs nächste
Jahr bringen. Es heißt "Endlich Nichts".
Und egal, wie oft man diese Songs gehört, egal, wie oft man seine Konzerte besucht – eigentlich kann man, wenn man Hannes Wittmer trifft, nicht glauben, dass aus diesem freundlichen, bescheidenen, manchmal auch schwer witzigen jungen Mann diese ernsthafte, tiefe, welthaltige Musik eines Spaceman Spiff kommen soll. Und vielleicht ist es einfach so wie bei Calvin, dem 6-jährigen Titelhelden aus dem Comic Calvin und Hobbes: Er ist nur ein ganz normaler kleiner Junge. Aber manchmal malt er sich aus, ein Astronaut zu sein. Dann reist er zu fernen Planeten und nennt sich Spaceman Spiff.
Spaceman Spiff - "Endlich Nichts"
CD/LP/DL
12 Songs
Erscheint am 10.01.2014 bei Grand Hotel van Cleef in Kooperation mit dem mairisch Verlag.
CD/LP bestellen: http://shop.mairisch.de/mairisch-gesamtprogramm/endlich-nichts/
Reinhören via Spotify: