SPRING-Magazin: Into the Unknown #22

Buchfotos: moki
Buchfotos: moki

Das Beschreiten neuer Wege kann aus Notwendigkeit heraus geschehen, oder aus der Lust auf neue Erfahrungen. Und so weckt das Unbekannte auch ambivalente Gefühle in uns: Neugier und Furcht, Abenteuerlust und Angst, Spannung und Widerstand. Die Künstlerinnen der aktuellen SPRING-Ausgabe wagen sich in ihren grafischen Erzählungen bewusst auf unbekanntes Terrain: Erstmals sind alle Geschichten im Teamwork und aus gemeinsamen Gesprächen entstanden – in INTO THE UNKNOWN treten die Künstlerinnen in einen Dialog mit Wissenschaftler*innen, Freund*innen, Großeltern & Kindern, Organisationen, Partner*innen, Ärzt*innen, Tieren und dem Unbekannten in sich selbst.

 

In ihren Geschichten geht es um die unberechenbaren Herausforderungen und Chancen, die mit dem Aufbruch in ein fremdes Land einhergehen, um die Erforschung des Mikrobioms, um eine zufällige Bekanntschaft, die zu einer Liebe mit ungeahnten Abgründen führt und um die Suche nach symbolischen, metaphorischen und utopischen Orten, die das Altbekannte vergessen lassen – auf dass Fremdes zu Vertrautem wird. 

Hier im Blog erzählt uns die Zeichnerin Katharina Gschwendtner, was mit INTO THE UNKNOWN genau gemeint ist. 

Das SPRING-Team
Das SPRING-Team

Von Katharina Gschwendtner

 

In Zeiten homogenisierter Filterblasen, in denen sich Menschen in Algorithmen spiegeln, kann das Unbekannte wie eine Illusion erscheinen. Umso wichtiger wird der Kraftakt der Öffnung. In diesem Band ist das Unbekannte nicht nur Thema, sondern wird auch als ästhetisches Konzept verstanden.

Eine Besonderheit dieses Bands ist die Idee der künstlerischen Kollaboration. Während das Zeichnen zumeist allein am eigenen Schreibtisch stattfindet, hat sich hier jede Zeichner:in mit mindestens einer Person zusammengetan, um in der Zusammenarbeit einen Beitrag zu entwickeln. Gemeinsam wagen sie Schritte ins Unbekannte, um ohne festgelegtes Ziel mit Bedeutungen und Formen experimentieren zu können.

In dieser Offenheit entsteht die Voraussetzung dafür, Neues zu entdecken. Die Künstlerinnen nehmen Blickwinkel aus unbekannten Perspektiven ein und setzen sich mit ganz unterschiedlichen ästhetischen Ansätzen und Lebenserfahrungen auseinander. Aus der Spannung zwischen Bekanntem und Fremdem erwachsen Erzählungen. Es ist die Erfahrung des Nicht-Wissens und des tastenden Vordringens in geöffnete Räume.

Möglichkeiten der Heilung im Zwischenmenschlichen, aber auch globale Utopien und das Göttliche als Möglichkeiten der Erkenntnis werden befragt. Schließlich zeigt sich die für die Kunst charakteristische untrennbare Verbindung von Erneuerung und Zerstörung in schöpferischen Gottheiten, die auch destruktiv sind. Bisweilen muss das Bekannte verworfen werden, um Platz zu schaffen. Der schützende Schuh muss ausgezogen werden, um mit dem nackten Fuß den moosbewachsenen Boden zu spüren. Das Bahnhofsgebäude muss sich in Luft auflösen, um den Flug zu ermöglichen. Der alltägliche Weg muss verlassen werden, um das Leben unter der Brücke zu finden.

Künstlerisches Schaffen ist per se der Versuch, Leben zu erwecken und einen Weg zu eröffnen. Die Erfindung einer Bildgeschichte ist ein Prozess. Es ist ein Versuch der Erkundung, Gestaltung und Sinnstiftung. Das Abwesende wird vergegenwärtigt und das noch nicht Existierende fantasiert. Es geht nicht anders: Das Neue enthält dabei stets Elemente des Alten, es soll sich jedoch vom Alten abgrenzen. Wir alle sind in eine Welt geworfen, die wir erst verstehen, während wir in ihr agieren. Ungewissheit wird so zur treibenden Kraft für die Transformation von Wahrnehmung in ästhetische Erfahrung. Die Zeichner:innen stellen sich dieser paradoxen Anforderung: Sie arbeiten, denken und erfinden systematisch unsystematisch. Somit ist die Bilderzählung ein komplexes, widersprüchliches Konzept, ein Mysterium mit System.

Seit der Moderne erzeugt die Kunst bewusst Fremdheit und Ungewissheit als Prinzip der Erneuerung. Indem sie Verstehens- und Empfindungskrisen auslöst, fordert sie das Publikum heraus, sich dem Unbekannten auszuliefern und es schließlich zu bewältigen. Während die Kunst noch durch eine radikale Fremdheit gekennzeichnet war, nimmt die schockierende Wirkung des Unvertrauten heute ab. Die Wirklichkeit holt uns jedoch ein, sobald wir unsere Blase verlassen. Wenn wir uns trauen, als Chronist:innen, als Umwelt-schützer:innen, als Dialogpartner:innen, als Migrant:in-nen oder als Sterbende den Schritt ins Unerschlossene zu wagen. Dieser Band fordert dazu auf, das Nicht-Wissbare zu integrieren. Das Unbekannte als Öffnung zu begreifen.

Spring: Die Künstlerinnen

Die Künstlerinnen-Gruppe SPRING wurde 2004 in Hamburg gegründet. Seitdem erscheint jeden Sommer ein neuer Band der Anthologie, der die unterschiedlichen Arbeiten aus den Bereichen Comic, Illustration und freier Zeichnung zu jeweils einem Thema bündelt. Die Gruppe besteht seit Beginn ausschließlich aus Frauen und ist mittlerweile ein solides und wichtiges Netzwerk für Zeichnerinnen in Deutschland. 

 

Die aktuelle Ausgabe mit Illustrationen, Comics und Texten von: Almuth Ertl, Anna Sarvira, Carolin Löbbert, Colo Kraft, Eva Müller, Katharina Kulenkampff, Kati Szilagyi, Katrin Stangl, Larissa Bertonasco, Maren Amini, marialuisa, moki, Nina Pagalies, Stephanie Wunderlich und Ulrike Steinke.

SPRING #22 – INTO THE UNKNOWN

 

224 Seiten 
Farbiger Innenteil

ISBN 978-3-948722-47-0

26,00 €


Weitere Informationen zum Buch sind hier zu finden

 

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