Eine kochbegeisterte Buchhändlerin verliebt sich in einen Barmann. Ein eigensinniger Postbeamter wagt auf der Suche nach der perfekten Ramen-Suppe die Reise in sein Sehnsuchtsland Japan. Eine gestresste Managerin entspannt sich endlich bei einer Kugel Himbeereis. Ein Hygienekontrolleur der alten Schule macht Bekanntschaft mit der wirkungsvollen Kraft indischer Gewürze. Und Señora Dolores kocht noch einmal ihren berühmten spanischen Eintopf und findet dabei alte Freunde wieder.
Zum Release von »Die Kichererbsen der Señora Dolores« haben wir uns mit Stevan Paul ausgetauscht. Der Autor und Koch erzählt uns von den Parallelen vom Kochen und Schreiben, warum Kulinarik friedenstiftend sein kann, und warum dieser Erzählband wieder ganz anders als die vorherigen Bücher geworden ist.
Die Kichererbsen der Señora Dolores – im gespräch mit stevan paul
Lieber Stevan, zuletzt erschien als literarisches Werk von dir der Roman »Der große Glander«. Wie kamst du nun dazu, einen Erzählband zu schreiben?
Stevan Paul: Es ist vor allem eurer Beharrlichkeit von Verlagsseite zu verdanken, dass ich wieder begonnen habe, literarisch zu schreiben. Denn die letzten Jahre waren angefüllt mit Kochbuch-Produktionen, meiner anderen Leidenschaft. Und ich bin nach dem Roman »Der große Glander« wieder zu meiner persönlichen literarischen Lieblingsgattung zurückgekehrt, der Kurzgeschichte, weil ich die Verdichtung und die Konzentration liebe. Das Schreiben von Kurzgeschichten ist vielleicht ein bisschen wie Kochen, auch da schätze ich die durchaus vielschichtige Reduktion.
Inwiefern knüpft dieser Erzählband an deine bisherigen literarischen Werke an?
Stevan: »Die Kichererbsen der Señora Dolores« ist nach dem Roman mein dritter Band mit kulinarischen Kurzgeschichten, und ich freue mich, sagen zu können, dass er wieder ganz anders geworden ist. Das hat viel mit dem Entstehungsprozess zu tun. Bei den ersten Bänden konnte ich auf Schubladen voller Ideen und Notizen zurückgreifen – »Dolores« habe ich dagegen innerhalb eines Jahres neu, ohne vorherigen Notizen und für meine Verhältnisse auch »am Stück geschrieben«. Fühlte sich ein bisschen an, wie ein Album aufzunehmen: mit einer konzentrierten Stringenz auch im »Sound« und mit vielen »heutigen« Themen, gerade auch was den Blick auf die Gastronomie und in die Küchen betrifft. Und natürlich ist Oberkellner Adam wieder dabei! Der absolute Publikumsliebling meiner Lesungen hat auch in diesem Buch wieder seinen besonderen Auftritt! (lacht)
Wie genau verlief das Schreiben der Erzählungen – wusstest du von Anfang an, was für Erzählungen zu in dem Band sein würden?
Stevan: Das passierte bei mir anfangs eher intuitiv, mit Impulsen aus dem Alltag, die sich erstmal nicht als literarischer Stoff aufdrängten. Dann aber: ich stehe morgens gerne
früh auf und gehe laufen, irgendwie ist da zwischen Traum und Wachsein immer noch ein kreatives Fenster in die Nacht auf, glaube ich. Zurück am Schreibtisch sitze ich dann mit Kaffee –
und vielleicht mit einer neuen Idee. Dieses Mal spielt eine Geschichte im Buch tatsächlich direkt auf meiner Laufstrecke in Hamburg-Eimsbüttel.
Fotos: Carolin Rauen
Die Erzählungen finden in Japan, New York, aber auch u.a. im Friesland statt. Was bedeuten dir Internationalität für das Schreiben und für die Kulinarik?
Stevan: Internationalität ist mir super wichtig! Kulinarik ist essenziell und der einfachste Weg, Menschen anderer Länder kennenzulernen. Essen ist universell, es verbindet. Die Neugier daran öffnet Türen, auch in den Köpfen. Manchmal glaube ich, dass Nazis einfach nicht reisen, sonst wären die nicht so eingeschränkt behämmert. Ich feiere in diesem Zusammenhang den ohnehin geschätzten Jan Delay, für diese Zeilen aus seinem Song »Spass«:
Fast alle schöne Dinge kommen aus dem Ausland
Ich glaub', auch ich wär voller Hass
Gäb es Musik nur ohne Bass
Eine Katastrophe wär's auch kulinarisch
Denn exotische Aromen sind nicht arisch
Überhaupt, wie passt das für dich zusammen: Literatur und Kulinarik?
Stevan: Musik, Kochen, Literatur: alles beginnt mit einer Idee und ein paar Zutaten, dann kommt eventuell ein bisschen Talent dazu und dann beginnt das Handwerk. Ich durfte aber
gerade wieder feststellen, dass es große Unterschiede in den Disziplinen gibt: ein Kochbuch zu schreiben, ist wesentlich einfacher, weil die Arbeit daran rational und schlicht faktenbasiert ist.
Das weiße Blatt in der Literatur ist zumindest mir, mit all seinen Möglichkeiten, eine Herausforderung, der ich auch diesmal wieder mit Respekt begegnet bin.
Stevan, wieso bist du eigentlich Koch geworden, denn das Schreiben gab es ja sogar noch vor dem Kochen, richtig?
Stevan: Ich wollte Journalist werden, seit ich als Kind die amerikanische Serie Lou Grant gesehen hatte, die in einer Lokalredaktion in Los Angeles spielte. Leider kamen mir auf dem Gymnasium die Fächer Mathe, Physik und Chemie in die Quere. Ich war kein schlechter Schüler, aber wegen dieser drei Fächer permanent versetzungsgefährdet. Als ich dann nach der 7. Klasse auch die 11. Klasse wiederholen sollte, habe ich genervt aufgegeben und mich meiner anderen frühen Leidenschaft hingegeben, dem Kochen. Dass ich heute, mit einem kleinen Umweg von zwanzig Jahren, beruflich nicht nur koche, sondern auch als Journalist und Autor arbeiten kann, ist mein großes Lebensglück.
Im Buch gibt es zu jedem Text ein Rezept, manchmal ist das sehr eindeutig, welches Gericht es gibt, oft sind es aber auch nur Anlehnungen, wie entstehen die Rezepte im Buch?
Stevan: Es ist immer und zuallererst die Geschichte da, dann folgt das Rezept. Ich habe generell immer schon ein bisschen damit gehadert, ob nicht die Rezepte die Literatur
entwerten. Bis heute werde ich in Interviews leider ständig nach Johannes Mario Simmel gefragt, der vor mittlerweile über 60 Jahren in seinem Roman »Es muss nicht immer Kaviar sein« Literatur und
Rezepte mischte. Es waren die ersten Menü-Lesungen, die mir gezeigt haben, welche Kraft es hat, wenn das eben Gehörte plötzlich als Teller vor Dir steht, wenn Literatur essbar wird. Das können
die Lesenden meiner Bücher auch zu Hause nachvollziehen.
Dieses Mal sind in dem Buch auch Illustrationen von Andrea Pieper enthalten. Inwiefern sind dir die Zeichnungen zu den einzelnen
Geschichten wichtig?
Stevan: Ich freue mich riesig, dass wir Andrea für das Buch gewinnen konnten. Ich bin generell ein riesen Fan von Illustrationen und Andreas Arbeiten für Dolores unterstreichen
pointiert und fröhlich die freundliche Zugänglichkeit des Buches.
Welche Geschichte fiel dir besonders schwer beim Schreiben?
Stevan: Die Geschichten, die es offensichtlich nicht ins Buch geschafft haben! (lacht)
Was ist für dich das verbindende Element in den Geschichten?
Stevan: Es geht um Lebensläufe und Perspektiven. Es geht darum, wer wir sind, und wie wir wurden, wer wir sind – und was wir vielleicht noch daraus machen können. In einer Geschichte trifft beispielsweise der Ältere sein Jüngeres Ich in den Straßen eines gewandelten Berlins. Señora Dolores erzählt vom Fluch, aber auch dem Segen des Vergessens. Gegen alle Widerstände bricht in Ikigai ein Postbeamter aus dem Wedding auf in sein Sehnsuchtsland Japan und in der Geschichte Indien geht es darum umzudenken, um künftig anders zu leben. Es geht um Umbrüche, schließlich leben wir in brüchigen Zeiten – genau darum war es mir wichtig, diese Themen mit einer Grundfröhlichkeit anzugehen. Mit dem Optimismus, den es jetzt braucht.
Stevan Paul – Die Kichererbsen der Señora Dolores
Mit Illustrationen von Andrea Pieper
208 Seiten
24 Euro
ISBN 978-3-948722-33-3
Weitere Informationen zum Buch gibt es hier