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Rammstein, Cowboys und Bartwuchs: Sag mal, Jordi Nopca, wie ist das Autorendasein in Spanien?

 

von Nefeli Kavouras 

 

Bei dem folgenden Interview haben wir viel gelacht und gestaunt. Wir haben den Autor, Literaturkritiker und Übersetzer Jordi Nopca in einem kleinen Café getroffen. Dadurch, dass es in Spanien schwierig ist, nur vom Schreiben zu leben, und Jordi Nopca deswegen auch als Literaturkritiker arbeitet, konnte er uns einen Einblick in die spanische und katalanische Literaturlandschaft geben, aber auch darin, wie es ist, als Autor zu leben. Und wir haben uns vor allem gefragt: Geht das denn beides? Literaturkritiker und Autor sein? 

Wir haben uns sehr über dieses Interview gefreut, das von Cowboys, Bartwuchs und Rammstein handelt! 

Foto: Celia Atset
Foto: Celia Atset

Lieber Jordi, wir freuen uns total, dass Du dich hier mit uns triffst. Du arbeitest ja als Autor und aber auch als Literaturkritiker, deswegen dachten wir, Du kannst uns bestimmt einen guten Einblick in die katalanische und spanische Literaturlandschaft geben. 

 Ja, sehr gern. Der katalanische Buchmarkt macht 25 Prozent des spanischen Gesamtbuchmarkts aus und er wächst langsam aber stetig. Nach dem Ende der Diktatur in den 70er-Jahren wird die katalanische Sprache von den Menschen hier immer mehr gesprochen. Mittlerweile ist sogar der Schulunterricht in Katalonien auf Katalanisch. Und wir müssen hier lernen, Literatur auf Katalanisch und auf Spanisch zu mögen, zu lieben, aber vor allem zu lesen. In beiden Sprachen, denn der katalanische Buchmarkt allein reicht nicht. Was auch auffällt, ist, dass in Katalonien der unabhängige Buchmarkt stetig wächst, vor allem innerhalb der letzten zehn Jahre. Es gibt dadurch auch ein breiteres Spektrum von dem, was veröffentlicht wird. Und eine Entwicklung, die mir gut gefällt, ist, dass Essays einen größeren Zuwachs erhalten. 

 

Und wie hat sich der Buchmarkt innerhalb der letzten zwei Jahre gewandelt? Wie sind alle, und auch Du, durch die Pandemie gekommen?  

Es gab im Buchmarkt auf jeden Fall einen Zuwachs in den letzten zwei Jahren. Auffällig war vor allem, dass Leser*innen ganz traditionell Bücher kauften und es eben nicht der E-Book-Markt war, der während der Corona-Jahre zunahm. Wie war das bei Euch in Deutschland?

 

In Deutschland ist vor allem der Kinderbuchmarkt gut durch die Corona-Jahre gekommen, bei dem Rest war es aber auch größtenteils okay. Auffällig war dieses Jahr, dass es einen richtigen Einbruch gab, als der Krieg in der Ukraine losging. Viele Buchhändler*innen erzählten uns, dass seit Ende Februar weniger Bücher verkauft werden, und wenn doch, dann vor allem Bücher zu Russland oder der Ukraine. Dass Du Dich so gut mit der Buchbranche hier auskennst, liegt ja wahrscheinlich auch an Deinem Beruf als Literaturkritiker. Du arbeitest für die Zeitung Ara Llegim, richtig? 

Ja, genau, ich bin dort für die Literaturbeilage zuständig, die seit 2011 wöchentlich erscheint. Wir haben also eine elfjährige Geschichte, die sich aber wie eine alte Geschichte anfühlt. Das ist schon verrückt, was sich innerhalb von elf Jahren an Rezensionen, Interviews und so weiter ansammeln. Es ist auch herausfordernd, als Journalist in einem eher kleinen Kosmos wie eben Katalonien zu arbeiten und gleichzeitig Autor zu sein. 

 

Das wollten wir Dich auch unbedingt fragen. Geht das denn? Literaturkritiker und gleichzeitig Autor sein? Und überhaupt, wie bist Du denn beides geworden? 

Also, ich finde, ich bin eigentlich gar nichts geworden (lacht). Ich habe schon als Kind geschrieben. Damals, mit sechs Jahren, hatte ich eine Krankheit, weswegen ich physisch eingeschränkt war und mich nicht so viel bewegen durfte wie andere Kinder. Mir blieb also nicht viel übrig, ich musste etwas anderes finden als das, was meine Freunde taten, die draußen rumspringen konnten. Und dieses 'andere' waren eben Bücher. Bücher und Musik. Ich habe zu lesen angefangen und dann zu schreiben. Jahre später habe ich dann als Journalist gearbeitet, dann habe ich Komparatistik in Barcelona studiert und bei der Zeitung angefangen. Vor Ara habe ich übrigens bei einer Musikzeitschrift gearbeitet. Dort habe ich vor allem Bands interviewt. Einmal gab es eine norwegische Band, die ins Publikum gespuckt hat. Ich war froh, dass die Band mich nicht auch im Interview angespuckt hat. Oh, und ich habe Rammstein interviewt. 

 

Oh, wie schrecklich war es, Rammstein zu interviewen?  

Es war schon eine interessante  Erfahrung. Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich mit meinen Fragen zu viel, aber sie haben nur einsilbig geantwortet. Fan bin ich also nie geworden. 

 

Dann hast Du aber in den 39  Jahren ja schon super viel gemacht, abgesehen davon, dass Du auch Rammstein interviewt hast! 

Kann man so sehen, ja. Und die Sache, die immer geblieben ist, war die Liebe zur Literatur. Ich wollte über Literatur schreiben, aber vor allem wollte ich selbst schreiben. Das war immer wichtig, immer an Romanen oder an Erzählungen arbeiten zu können. Ich brauche die  journalistische Arbeit, um überleben zu können, aber das Schreiben selbst brauche ich vor allem im Leben selbst. Letztens ist mein Erzählband ins Englische übersetzt worden, »Come on Up«, ich habe Euch eine Ausgabe mitgebracht, falls Ihr mal was lesen wollt. 

 

Ha, witzigerweise hat mir unsere Literaturagentur hier in Barcelona schon die Ausgabe geschenkt! Das war gestern meine Strandlektüre. 

Das Buch habe ich vor längerer Zeit geschrieben, von 2009 bis 2014 habe ich daran gearbeitet, parallel zum Schreiben an meinem Debütroman, der in Lissabon spielt. Die Finanzkrise hat uns alle damals schwer getroffen, vor allem junge Menschen, und darüber musste ich unbedingt schreiben. Ich wollte nicht nur den Roman schreiben, der eher avantgardistisch ist, sondern auch etwas Lebensnahes. 

 

Und was hast Du seitdem noch so geschrieben?

Danach folgte mein Roman »La Teva Ombra«, der von toxischer Männlichkeit handelt. Mittlerweile ist das ja schon fast ein Trendthema. Mich hat das Thema aber schon lange beschäftigt. Als Kind habe ich gern andere Menschen ausspioniert. Also, nicht, dass Ihr denkt, ich horche Euch jetzt heimlich aus, aber ich bin nunmal immer neugierig und möchte am liebsten alles über mein Gegenüber wissen. Wahrscheinlich musste ich auch deswegen Journalist werden. Ich mag es, Dinge zu erfahren. 

Jedenfalls, als Teenager war ich im Sommer verreist, an der Nordküste in der Nähe von Barcelona. Dort habe ich damals zwei Brüder kennengelernt, die sich eine Freundin teilten. Damals war ich eigentlich neidisch auf die Brüder, weil ich allein war, ich trug Blazers, ich war eher schmächtig. Im Grunde war ich damals schon so wie jetzt. Ich musste also diesen Brüdern folgen, die haben mich einfach fasziniert. Und dann, Jahre später, merkte ich, dass ich die beiden als Romanfiguren erzählen möchte. Das war recht herausfordernd für mich, weil ich wusste, dass ich die Geschichte nicht moralisch erzählen konnte. 

 

Wie bist Du dann mit der Herausforderung umgegangen? 

Erstmal hatte ich eine richtige Schreibkrise. Ich hatte kurz Angst, selbst ein unmoralischer Mensch zu werden. Irgendwie fühlte ich mich emotional verunsichert durch das Schreiben des Romans. Zumal mir zu der Zeit, als ich den Roman schrieb, auffiel, dass vor allem Bücher erschienen, in denen eher moralisch erzählt wurde. Für mich fühlte sich das also riskant an. Hinterher fragten mich auch manche, ob ich als Mensch auch so denke oder gar handle, wie es diese Brüder tun. 

 

Ah, hier gibt es also auch oft die Frage, inwiefern man das Selbstgeschriebene auch selbst erlebt hat? 

Total. Immer. Es ist wohl überall dasselbe. 

 

Und wie waren letztlich die Reaktionen als das Buch erschien? Wie wurde es von der Presse aufgenommen? 

Gut. Das Buch erschien kurz vor der Pandemie und das Buch spielt vor allem an öffentlichen Orten: Festivals, Museen, Parks. Das Buch lebt von sozialer Interaktion und genau diese ging uns ja zu Beginn der Pandemie abhanden. Die Menschen wurden beim Lesen also ein wenig nostalgisch, das hatte ich vorher ja nicht geplant gehabt. 

 

Aber ist es nicht schwierig, zu schreiben und gleichzeitig Literaturkritiker zu sein? Wie umgehst Du den Konflikt? 

Den Konflikt kann man nicht umgehen. Ich spüre schon oft eine leichte Aggressivität von Seiten anderer Autoren. Sie kontaktieren mich über unterschiedliche Wege und beschweren sich. Es fühlt sich manchmal an, als wäre ein bisschen Gift in unserer Literaturblase. Für mich ist die Konsequenz, mich einfach von diesen Menschen zu distanzieren. Vor allem, wenn ich ja weiterschreiben möchte, und das ist ja das, was ich unbedingt möchte. Aber ja, simpel ist es nicht. Und natürlich muss ich auch als Literaturkritiker professionell bleiben. Und ich brauche beide Jobs, um mich finanzieren zu können. 

 

Wie ist das überhaupt, hier als Autor zu leben? Gibt es zum Beispiel bezahlte Lesungen? 

Nein, nicht wirklich. Manchmal werden Buchpräsentationen in Kulturzentren oder großen Buchhandlungen bezahlt, aber das ist eher selten. Es gibt ansonsten noch einige Literaturstipendien, auf die man sich bewerben kann. Oder auch Aufenthaltsstipendien. Aber man kann ja nicht damit rechnen und man kann sie auch nicht regelmäßig bekommen. Aber tatsächlich habe ich nächste Woche eine Tour in den USA, mit meinem Erzählband! 

 

Oh, wie aufregend! Wo geht es da für dich genau hin? 

Ich starte in New York, dann geht es weiter nach Massachusetts, dann Boston, dann Dallas. Ich werde also als New Yorker starten und als Cowboy enden. Vielleicht lasse ich mir auch einen Bart wachsen. Oh Ihr lacht! Das ist gut, dass Ihr meinen Humor versteht. 

 

Na klar, warum denn auch nicht? 

Als ich in Petersburg studiert habe, war es gar nicht so leicht, Menschen zu finden, die meinen Humor verstanden. Außerdem entsprach mein Aussehen auch nicht dem dortigen Männlichkeitsbild, weswegen ich mir einen Bart hab wachsen lassen. Also, Daniel, Du hättest mit deinem Bart gute Chancen, in Russland zu überleben. Mit dem Bart war ich jedenfalls dann nicht mehr auffällig, sondern unsichtbar und konnte in Ruhe alle Menschen beobachten.


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