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The Barcelonian: Wie sehen Illustrator*innen die Stadt?

von Nefeli Kavouras 

Unser letzter Besuch war ein toller, überraschender Abschluss unserer Reise. Die Macherinnen vom Illustrationsprojekt THE BARCELONIAN haben uns zu sich in ihr beeindruckendes Haus inmitten des schönen Viertels Grácia eingeladen – im Keller befindet sich u.a. ein kleines Theater. THE BARCELONIAN ist ein kollektives Illustrationsprojekt, das in regelmäßigen Abständen Illustrationen über Barcelona veröffentlicht. In Anlehnung an die Titelseiten des legendären Magazins THE NEW YORKER kommen die Zeichnungen ohne Worte aus und verwenden die gleiche Schriftart für den Titelschriftzug. Mehr als 100 Künstler*innen veranschaulichen so ihre Beziehung zu Barcelona, und wir finden, dass das eigentlich auch eine Form von Reiseführer ist: Barcelona entdecken durch die Augen von Illustrator*innen.

Wir sprechen mit Inés García-Albi und Luisa Vera, wobei vor allem Luisa mit uns redet, während uns Inés Bilder zeigt.  Wir erfahren, wie Illustratorinnen und Illustratoren einen Liebesbrief an die Stadt zeichnen, selbst, wenn sie diese nicht einmal mögen. 

 

 

Ausstellung zu THE BARCELONIAN / Quelle: Instagram (@thebarcelonianillustrated)
Ausstellung zu THE BARCELONIAN / Quelle: Instagram (@thebarcelonianillustrated)

Liebe Inés, liebe Luisa, danke dass ihr uns zu diesem tollen Ort eingeladen habt! Mögt ihr vielleicht erzählen, wie ihr das Projekt THE BARCELONIAN angefangen habt?

Luisa: Zu Beginn des ersten Lockdowns 2020, als wir alle zu Hause festsaßen, habe ich tagelang einfach nur gezeichnet. Es war für mich therapeutisch zu zeichnen, und diese kleinen Illustrationen postete ich auf Instagram. Und irgendwann habe ich aus Spaß in der Schriftart von dem berühmten Magazin THE NEW YORKER den Titel „THE BARCELONIAN“ in meine Illustrationen geschrieben. Ich habe etwa 10 solcher Zeichnungen angefertigt und veröffentlicht und bekam immer mehr und mehr positive Reaktionen darauf. Und dann dachte ich mir: Warum mache ich das nicht mit all meinen Freundinnen und Freunden? Und die schickten mir dann auch Illustrationen mit diesem Titel-Schriftzug. Im Vordergrund stand immer Barcelona, wobei es anfangs vor allem um das Lockdown-Gefühl ging. Das Ziel war jedenfalls, jede Woche eine Illustration zu veröffentlichen. Und dann wurde dieses kleine Projekt immer größer und größer. Als immer mehr Illustratorinnen und Illustratoren mir auch ihre Bilder schickten, habe ich Inés angerufen und ihr gesagt, dass diese anfängliche Spielerei zu groß für mich sei.  Also haben wir das zusammen großgezogen.

 

Gab es denn zu diesem Zeitpunkt schon ähnliche Projekte? 

Luisa: Ja, das wussten wir aber nicht, als wir damit anfingen. Es gibt zum Beispiel schon THE PARISIENNE, die haben sogar als Erste damit angefangen. 

 

Was ist überhaupt so besonders an THE NEW YORKER? Also warum diese Hommage? 

Luisa: THE NEW YORKER ist der Master, das war das, wo man als Illustrator*in veröffentlicht werden wollte und was man privat auch las. So erging es mir jedenfalls, als ich in New York lebte. Ich finde, die Cover-Illustrationen vom THE NEW YORKER erzählen so viel über die Stadt. Und es ist ein Cover ohne Wörter. Es braucht auch keine Wörter, es spricht für sich. THE NEW YORKER hat mittlerweile auch Bücher veröffentlicht, in denen es nur um die Cover-Illustrationen geht. Und das reizte mich dann auch: Cover für eine Stadt illustrieren zu lassen. Stell dir vor, du hast die Fläche für ein Cover, und du kannst alles machen, aber es muss sich irgendwie um Barcelona drehen. Es kann von Architektur handeln, es kann positiv oder negativ sein. Es geht um deine Beziehung zur Stadt. 

 

Ihr meint ja, dass das Projekt größer geworden ist, was bedeutet das denn genau? 

Luisa: Wir haben einen Onlineshop gestartet, auf dem wir die Drucke in drei verschiedenen Größen anbieten. Und gerade planen wir ein Buch, das die ersten 100 Cover abbildet. Dafür wollen wir auch eine große Ausstellung organisieren. Das Projekt ist also von selbst gewachsen, und wenn man sieht, dass etwas aus Spielerei entsteht und andere begeistert sind, dann ist das schon etwas Tolles. Mittlerweile haben wir neben jungen, aufstrebenden auch namhafte Illustratorinnen und Illustratoren dabei. 

 

Leben alle Illustratorinnen und Illustratoren in Barcelona? 

Luisa: Nein, wichtig ist einfach nur, dass sie einen Bezug zur Stadt haben. Also, dass sie entweder wirklich hier leben oder hier zumindest einmal gelebt haben. Wir haben zum Beispiel jetzt auch Illustratorinnen und Illustratoren aus den Staaten, aus Italien oder auch aus Deutschland. 

Inés: Oh weh, die Verträge! 

Luisa: Ja, stimmt, die müssen wir noch übersetzen. Gut, dass du mich daran erinnerst. Das wird ein Albtraum. 

 

Wie finanziert ihr das Projekt? 

Nur durch die Drucke. Und von den Einnahmen gehen 40% an den Illustrator, beziehungsweise an die Illustratorin. Es ist also eher ehrenamtlich, dass wir das machen. Und wir haben ja auch andere Jobs. 

 

Sprecht ihr mit den Illustrator*innen die Motive vorher ab? 

Luisa: Das Wichtigste für uns ist künstlerische Freiheit. Mittlerweile haben wir allerdings so viele Cover, dass es gut ist, vorher zu wissen, was kommen wird. Ich muss keine Skizze sehen, ich will nur die Idee wissen, damit ich sichergehen kann, dass nicht drei Cover zum selben Motiv entstehen. Es ist schon überraschend, wie ähnlich teilweise die Ideen für die Motive sind! 

 

Zum Beispiel? 

Zum Beispiel wird oft La Parella vorgeschlagen - oder der Hafen und die Marktstände. Und wenn ich merke, dass da zu oft zu ähnliche Ideen kommen, schlage ich den Illustratorinnen und Illustratoren auch Themen vor. Aber nur als Inspiration, als Denkanstoß. Ich will ja nicht nur ein touristisches Barcelona abbilden, das nur aus Gebäuden besteht. Der Grundgedanke ist, eine Geschichte über Barcelona zu erzählen, mithilfe von diesen Covern. Auch wenn man die Stadt nicht mag. Neulich fragte ich einen Illustrator, ob er nicht mitmachen möchte und er meinte, dass er eigentlich gerade plant, aus der Stadt wegzuziehen, weil er sie nicht mehr aushält. Ich sagte ihm: Dann mach genau das! Illustriere, warum du die Stadt verlassen willst. Es muss nicht nur darum gehen, was an der Stadt schön ist. 

 

Ihr habt vorhin erzählt, dass manche Illustratorinnen und Illustratoren negative Aspekte der Stadt abbilden. Was denn zum Beispiel? 

Polizeieinsätze, Proteste, Chaos. So etwas.

 

 

Keine Wörter zu haben, begrenzt ja die Möglichkeiten eines Covers. Gibt es Momente, wo ihr euch Überschriften wünscht? 

Nein, nie. Diese Cover sagen alles, auch ohne Worte. Das ist ja die Idee hinter dem Projekt. Man braucht keinen Text für eine gute Geschichte, wenn die Illustrationen selbst gut sind. Es sind Liebesbriefe an die Stadt, egal ob man die Stadt mag oder nicht. Ein Liebesbrief, der eben keine Wörter benötigt. 

 


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