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Diana Coromines, wie funktioniert ein reiner E-Book-Verlag?

Von Daniel Beskos

 

Wir sind verabredet mit Diana Coromines i Calders, die im Nordwesten Barcelonas den E-Book-Verlag BonPort führt. Wir wollten herausfinden, wieweit die katalanischen und spanischen Leser*innen in Sachen digitales Lesen sind und wie Diana auf die Idee kam, einen reinen E-Book-Verlag zu gründen.

Der Verlag ist in einem Privathaus untergebracht – Diana führt uns in die Bibliothek, die auch ihr Büro ist. Hier sitzt man von wunderschönen, alten Bücherregalen umgeben, mit Blick auf den Garten. Da Diana in Wien und Berlin gelebt hat, spricht sie fließend Deutsch – und da sie auch zwei Jahre in Dänemark gelebt hat, auch Dänisch. Wie beinahe in allen unseren Gesprächen hier in Barcelona schwingt auch bei Diana die politische Ebene Kataloniens immer mit – sie hat in der inoffiziellen katalanischen „Botschaft“ in Kopenhagen gearbeitet, die aber 2017, nachdem Spanien die katalanische Unabhängigkeit als nicht rechtskräftig erklärt hat, geschlossen wurde. 2018 kandidierte Diana als Bürgermeisterin Barcelonas und kam auf den 5. Platz. Sie ist auch neben ihrer aktuellen Arbeit als Verlegerin und Übersetzerin weiter politisch aktiv und sicher nicht ganz unumstritten.


Liebe Diana, danke, dass du dir die Zeit für uns nimmst. Würdest du uns ein bisschen über deinen Verlag erzählen? Wie steht es in Sachen E-Books in Spanien?
Ich habe diesen kleinen Verlag, BonPort, den ich schon vor einigen Jahren gegründet hatte,  also noch vor den Ereignissen um die Unabhängigkeit Kataloniens 2017. Die Idee war schon damals, einen Verlag zu gründen, der ausschließlich E-Books veröffentlicht. Damals machten nur wenige Verlage überhaupt E-Books, aber einen reinen E-Book-Verlag gab es noch gar nicht.
Ich wollte kleine Essays von jungen Autor*innen veröffentlichen, in denen es um die Zukunft Katalonien allgemein geht, also um Politik, Kultur, Gesellschaft und so weiter. Aber dann wisst ihr, wie es gegangen ist. Ich war mittlerweile in Kopenhagen und habe für die katalanische Interessenvertretung (also eine Art pseudo-diplomatische Vertretung dort) gearbeitet. Nach dem Referendum zur Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober 2017 ist dann alles schiefgegangen, die „Botschaft“ wurde geschlossen, unsere Autonomie wurde stark reduziert. Ich musste mich neu orientieren – und ich habe schon immer übersetzt, mal mehr, mal weniger, auch lektoriert. Und jetzt während der Pandemie dachte ich, es könnte eine gute Idee sein, den Verlag wieder zu reaktivieren. Wir sind inzwischen auch zu dritt, einer fürs Design, einer für die Herstellung der E-Books – und ausgewählte Titel machen wir neuerdings auch auf Papier. Wir probieren das jetzt mal aus. Seitdem haben wir jetzt 8 neue Titel veröffentlicht.

 

Und wie funktioniert das mit E-Books bisher allgemein hier so?
Es ist wirklich seltsam - seit praktisch 20 Jahren haben alle immer gesagt, dass E-Books die Revolution des Buchmarktes seien (und vielleicht ist das auch in den USA so), aber hier ist es doch sehr zögerlich. Wie ist es bei euch in Deutschland?


Ja, das haben bei uns auch immer alle gesagt, dass das sehr groß wird. Und in manchen Genres ist das vielleicht auch so, aber allgemein ist der Anteil an den Buchverkäufen doch sehr niedrig, vielleicht bei 4 bis 8 Prozent.
Genau so ist es hier auch.


Was kosten eure E-Books?
So zwischen 5,99 und 8,99 Euro, als eher günstig.


Und bei großen Verlagen?
Bei den großen katalanischen Verlagen sind sie ein wenig teurer, eher so 10 bis 12 Euro, kommt drauf an.

 

Einige Fakten zum spanischsprachigen E-Book-Markt:

 

Anteile E-Books am Buchmarkt 2020:

ca. 5 %

 

Digitalverkäufe 2020 (E-Books und Audiobooks):

50,4 % nach Spanien

16 % nach Mexiko

19,9 % ins restliche Lateinamerika

8,4 % in die USA

 

Verkaufskanäle E-Books 2020:

79 % Einzeldownload

18 % Subscription

3 % Bibliotheken

 

Quellen: Statista / Bookwire Report 2021


Wie funktioniert bei euch der Vertrieb - also wie kommen die E-Books zu den Leser*innen?
Wir machen das hauptsächlich über unsere Webseite, also im Direktvertrieb, damit wir möglichst wenig Rabatt abgeben müssen. Aber natürlich sind die E-Books auch auf den großen Plattformen, also Amazon (fürs Kindle), Apple und Kobo.
Die Werbung machen wir vor allem über die sozialen Medien, vor allem über Twitter. Es hat sich da schon eine richtige kleine Community gebildet, die wir direkt ansprechen und die dann bei uns auch kaufen. Über Twitter kann natürlich eher auf Inhalte hinweisen und keine langen Texte machen. Wir laden da kurze Videos hoch oder verweisen auf Instagram. Wenn man so ein kleines Team ist, ist es auch nicht so leicht, alle diese verschiedenen Plattformen gut zu bespielen.


Aber der technische Support für die E-Books liegt dann komplett bei euch?
Ja, genau, das macht mein Kollege Fernando. Er kümmert sich um die technischen Fragen, auch wenn Kunden ein bestimmtes Dateiformat brauchen oder so. Er kennt sich da wirklich gut aus. Und wir sind ja noch nicht so groß, wir können das also noch selber leisten.

 

Und werden E-Books in Zeitungen oder im Radio besprochen?

Nein, eigentlich nicht. Das passiert wenn dann eher bei Buchbloggern oder auf Instagram und Twitter. Gerade die gedruckten Bücher werden oft abfotografiert und auf Insta gepostet. Oft fragen die Medien dann aber für Interviews an, sobald ein Text auch gedruckt erscheint. Seltsam.


Als du 2015 angefangen hast, war das der erste reine E-Book-Verlag?
Ja, ich glaube, wir waren die ersten. Es gibt da noch die sehr populäre digitale Zeitung Nuvol, die machen zum Teil auch Sachen als E-Books.


In Deutschland machen ja viele der ursprünglich reinen E-Book-Verlage jetzt auch gedruckte Bücher. Wie ist das für die Autor*innen, finden die das gut, nur als E-Book veröffentlich zu werden? Finden nicht gerade die auch gedruckte Bücher gut?
Ja, die meisten lieben es, wenn es die Titel jetzt auch gedruckt gibt. Aber sie finden es eh gut, ihre Texte im Rahmen unserer Community zu veröffentlichen.

 

Magst Du uns noch mehr von Deinem Programm erzählen? 

Ein Titel, der gerade besondere Aufmerksamkeit bekommt, ist „Les cicatrius de la història“ von Javier Borràs Arumí. Das ist eine Sammlung von Reportagen, die er in Russland, Weißrussland und der Ukraine gemacht hat, das kam kurz vor dem Krieg heraus, das war ein totaler Zufall. Ansonsten haben wir noch Essays, in denen Literatur und Philosophie gemischt werden, Reportagen, zum Teil auch katalanische Klassiker, z.B. aus den 1930er Jahren. Dazu machen wir auch ab und zu Hörbücher dazu.

 

Seit letzten September machen wir zusätzlich auf Twitter Spaces einen Live-Podcast, da kommen immer 100 Leute oder so, das hilft auch bei der Bewerbung. Die neue Podcast-Folge laden wir immer zum "casual friday" am Freitag hoch, meist ein Gespräch mit einer/m unserer Autor*innen, und auf den verschiedenen Kanälen bauen wir dann kleine Schnipsel davon als Werbung ein. Das Format ist aber toll, da man gut auf aktuelle Themen eingehen kann - etwa schon Anfang Februar hatten wir ein Gespräch über die Ukraine, und am Tag, an der Krieg anfing, gingen die Hörerzahlen im Podcast natürlich massiv hoch.

 

Merkt man sowas dann auch in den Buchverkaufszahlen?

Ja, aber im kleinen Maßstab. Und der katalanische Buchmarkt ist sowieso eher klein.

 

Kannst du sagen, wer eure Leser*innen sind?

Hm, nicht genau. Wenn ich so in meinem Umfeld frage, sind es eher die Jüngeren. Aber meine Mutter zum Beispiel nutzt ihr Kindle auch sehr viel. Es ist auch einfach sehr praktisch, dass man die Schriftgröße selbst einstellen kann.

 

Und wie stellst du dir die weitere Entwicklung des Verlages vor?

Ich will auf jeden Fall bei E-Books bleiben, ich selbst lese auch sehr viele E-Books, ich finde das einfach praktisch. Man kann mehrere Bücher parallel lesen, es ist praktisch, auch auf Reisen, und günstiger ist es auch. Aber gedruckte Bücher machen wir bestimmt auch, also wird es bestimmt parallel laufen.

Da ich selbst auch Übersetzerin bin und viel mit Skandinavien zu tun habe, möchte ich diesen Schwerpunkt weiter ausbauen - hier kennt man außer Krimis nicht viel Literatur aus z.B. Dänemark.

Außerdem sind wir in Gesprächen mit der Universitat Oberta de Catalunya, einer der katalanischen Unis hier, um zu sehen, ob wir zusammen Hörbücher machen wollen. Das erste Hörbuch sollen Kurztexte von meinem Großvater Pere Calders sein - er ist hier sehr bekannt, eigentlich ein Klassiker in Katalonien.

 

Ah, du kommst aus einer richtigen Literaturfamilie! Daher auch diese schöne Bibliothek hier.

Ja, genau, die Bücher hier sind von meinen Urgroßeltern aus dem frühen 20. Jahrhundert, das hier etwa von meinem Urgroßvater, von 1905. Er hat vor allem Theaterstücke geschrieben, eins seiner Stücke war sehr populär. Dann ist er mit meinen Großeltern ins Exil nach Mexiko gegangen, das war dann ein richtiger Bruch in seinem Leben. Mein Großvater dagegen war noch jung, er konnte später zurückkehren und hier noch ein richtiges Leben haben. Aber meinem Urgroßvater ist es ergangen wie vielen seiner Generation: Sie wurden einfach vergessen.

 


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