Von Nefeli Kavouras
Ganz Barcelona sprach die letzten Wochen von nichts anderes als von Sant Jordi - dem großen katalanischen Feiertag, der am 23. April anstand. Auch die Literaturkritikerin Marina Porras, die wir am ersten Tag hier trafen, hat uns davon erzählt und dann ergänzt: »If it rains on Sant Jordi, it will be a national drama.«
Und letzte Woche, es war bewölkt, aber warm, hatte Patricia Hansel vom Kinderbuchverlag Takatuka zu uns gesagt: «So, wie es jetzt ist, wäre es eigentlich ideal für Sant Jordi. Denn wenn es zu schön ist, fahren die Leute lieber an den Strand. Und wenn es regnet, kommt niemand.«
Wie es aussah, lag also ein wahnsinniger Wetterdruck auf diesem Tag, nicht zuletzt deswegen, weil er in den vergangenen zwei Jahren coronabedingt nicht richtig stattfinden konnte. Aber warum
redet gerade die katalanische Buchwelt von diesem Feiertag?
Die Geschichte von Sant Jordi geht ursprünglich auf eine Legende aus dem 15. Jahrhundert zurück: Der Ritter Sant Jordi tötete den Drachen, der Volk und Prinzessin in Angst und Schrecken versetzt hatte, mit seinem Schwert. Aus dem toten Ungeheuer erblühten rote Rosen, von denen der Heilige Jordi (zu deutsch Georg) eine der Prinzessin schenkte. Mittlerweile ist Sant Jordi als Schutzheiliger der Verliebten bekannt.
Wie passen nun die Bücher dazu? 1926 erklärte Spanien den 23. April, den Todestages von Cervantes, als Tag des Buches. Auch in England gab es etwas Ähnliches, dort ist der Todestag von Shakespeare – ebenfalls am 23. April! – auch Tag des Buches. Aus all diesen Feiertagen entstand dann in der Folge auch der Welttag des Buches – auf Anregung der Katalanen, wie man hier stolz erzählt.
Daher gibt es nun hier das Sant Jordi-Fest. Ursprünglich war es Brauch, dass Männer an diesem Tag den Frauen eine Rose schenken, und Frauen den Männern ein Buch. Zum Glück ist das Ganze inzwischen etwas freier, heute schenken sich alle gegenseitig Bücher und Blumen, auch die Kinder und Familien sind voll dabei.
Sant Jordi ist für die Verlage und Buchhandlungen »wichtiger als das Weihnachtsgeschäft«. Viele machen an diesem einen Tag 20-35 Prozent ihres gesamten Jahresumsatzes. Und obwohl es in Spanien die Buchpreisbindung gibt, bekommen die Kund*innen zu Sant Jordi ausnahmsweise 10 Prozent Rabatt auf Bücher – den sich Verlage und Buchhandlungen hälftig teilen. Bereits die Wochen vor Sant Jordi geht also ein Riesenrummel los – überall stapeln sich riesige Bücherstapel und Berge von Kisten, in den Lagern der Vertriebe kommen dauernd Buchhändler*innen herein und nehmen sich die gewünschten Mengen mit. Ein bisschen fühlt es sich an wie auf einem Großmarkt für Fisch oder Blumen. Wobei Blumen hier auch eine große Rolle spielen.
Denn sie sind neben den Büchern der zweite große Bestandteil dieses Feiertages: Heute schenken alle einander Bücher UND Blumen. Jemand erzählte uns sogar: »If you don't get a book or a rose on Sant Jordi, you are kind of a loser«. Und ganz Katalonien bereitet sich lange auf diesen Tag vor. In den Buchhandlungen liegen Wochen vorher schon Zeitungsbeilagen mit Tipps rund um Sant Jordi auf den Tischen, die Buchhandlungen präsentieren ihre persönlichen Kaufempfehlungen für den Tag (in der Kinderbuchabteilung dreht sich dann natürlich alles um Drachen oder um den Ritter Sant Jordi), in den Bäckereien werden Kuchen in Form von Büchern oder der katalanischen Flagge verkauft, und die ganze Stadt ist mit Rosen geschmückt.
Wir schauten also leicht verzweifelt auf den Wetterbericht für den 23. April, denn bisher hatten wir in Barcelona nur bedingt Glück mit dem Wetter. Die Vorhersagen waren nicht so rosig. Regen? Graues Wetter? Die Katalanen um uns herum versicherten uns: es regnet nicht an Sant Jordi. Das hätte es anscheinend auch noch nie gegeben. Es kann gar nicht regnen.
Heute ist der große Tag also da. Wir machen uns morgens auf dem Weg. Die Sonne scheint und wir sind überrascht von den vielen Ständen, sie sind wirklich überall in der Statdt. Überall tummeln sich Menschen aller Altersklassen, die für ihre Liebsten Bücher und Blumen kaufen wollen. Als wir gerade in der kleinen schönen Kinderbuchhandlung Casa Anita sind, geht es dann aber plötzlich los. Draußen zieht es sich zu, es donnert, und dann hagelt es. Und zwar nicht zu knapp. Wir witzeln noch: »Ja ja, an Sant Jordi regnet es nicht – es hagelt!«
Aber dabei bleibt es leider nicht, ein paar weitere Regengüsse folgen auch noch. Wir sind beeindruckt von den tapferen Buchhändler*innen, die aber ihre Stände nicht verlassen, sondern die Bücher immer kurz mit Plastikfolien abdecken. Und wir sehen noch immer etliche Menschen Bücher und Rosen kaufen.
Trotz des Wetters ist es aber dennoch ein wunderbarer Tag voller guter Eindrücke. Und wir fragen uns natürlich sofort: Warum gibt es das nicht auch bei uns? Für nächstes Jahr könnt ihr euch schon mal den Hashtag merken: #bücherundblumen. Mal schauen, was passiert ...