»Und davon kann man leben?« - Carolin Löbbert, Stephanie Wunderlich und Larissa Bertonasco im Interview

In der 15. SPRING-Ausgabe mit dem Titel "Arbeit" geben 13 Zeichnerinnen in Comics, Illustrationen und Texten ganz persönliche Einblicke in das Verhältnis von Arbeitswelt und Identität. Sie erzählen vom Spagat zwischen Familie und Berufsleben, berichten von einer Tierfabrik und erforschen die Geschichte der Arbeit. Zuweilen lassen sie dieses eigentlich sehr reale Thema auch märchenhaft erscheinen, dann wieder geht es um Ausbeutung, Burnout und die Rechte von Arbeiterinnen. 

Die Zeichnerinnen Carolin Löbbert, Stephanie Wunderlich und Larissa Bertonasco erzählen uns im Interview von ihren Erfahrungen in der Arbeitswelt, vom gesellschaftlichen Druck und vom Kampf der Anerkennung. 

 

Erzählt mal: Was ist die früheste Erinnerung, die ihr mit Arbeit verbindet? 

Carolin: Ich erinnere mich an meinen ersten richtigen Ferienjob, den ich in meinen Sommerferien geplant hatte. Ich habe in einer Fabrik gearbeitet, in der Fast-Food-Sandwiches am Fließband hergestellt wurden. Da für die Sandwiches natürlich Lebensmittel verarbeitet wurden, war es in der ganzen Produktionshalle kalt wie in einem Kühlschrank. Ich stand dort bis zu sechs Stunden am Stück an einem Fließband und habe immer dasselbe gemacht, Käse, Eier oder Zwiebeln auf Brot gelegt. Trotzdem habe ich bis zum Schluss durchgehalten, ganze drei Wochen, glaube ich. Das Ganze hat sich absolut angefühlt wie harte, echte, schwere Arbeit. Das habe ich danach dann aber nie mehr gemacht.

 

Stephanie: Ich erinnere mich, gerne ein Vater gehabt zu haben, der etwas Konkretes zum Anfassen herstellt. Der mit lautem Getöse hantiert und Dreck zum Hinterherfegen hinterlässt. Wie der Vater meiner besten Freundin Claudia, der Schreiner war, mit eigener Werkstatt im Hinterhof. Mein Vater war Konkursrichter. Seine Arbeit war für mich völlig abstrakt. Er produzierte nichts außer Unterschriften, Wellenlinien am unteren Ende der Seiten in seinen Akten.

 

 

Larissa: Meine Mutter hatte einen Laden mit Kinderkleidung. Dort habe ich schon als Kind ab und zu mitgeholfen - zum Beispiel die Kleidung nach Größe sortiert oder mit Preisaufklebern ausgezeichnet. Es hat mir gefallen, eine Aufgabe und Verantwortung zugemutet zu bekommen. Als Belohnung durfte ich mir dann nach getaner Arbeit ein Eis kaufen. Als Jugendliche hatte ich dann erste richtige Ferienjobs, bei denen ich mein erstes eigenes Geld verdient habe und das fühlte sich ziemlich gut an. Ich fand es leicht, schnell Geld zusammenzusparen - allerdings musste ich dieses damals auch noch nicht für Miete, Krankenversicherung und Klopapier ausgeben …

 

Wenn man durch die Ausgabe blättert, ist zu merken, dass es leider noch viele Menschen gibt, die Illustration/Grafik/Zeichnen nicht als Arbeit ansehen. Habt ihr das auch so erfahren und wie geht ihr damit um?

 

Carolin: Na klar, das ist mir im Alltag auch schon öfters begegnet. Ich habe zum Beispiel die Einladungskarten für die Hochzeit von Freunden gestaltet und wurde darauf dann von einem Gast angesprochen. Als ich sagte, dass ich das professionell mache, schlug mir eine Mischung aus Verwunderung und Ungläubigkeit entgegen. Ich versuche dann immer Beispiele meiner Arbeit zu nennen, unter denen sich auch fachfremde Menschen etwas vorstellen können, zum Beispiel das Gestalten eines Buchcovers, eines Magazin-Covers oder das Anfertigen von Illustrationen für Zeitungen. Am besten nennt man dann noch Namen, die den Leuten etwas sagen, zu meinen Kunden gehören zum Beispiel »Die Zeit«  oder »Der Spiegel«, damit geben sich die meisten zufrieden.

 

Stephanie: Auf die Beantwortung der Frage, was man arbeitet, die Rückfrage zu bekommen »Und davon kann man leben?« ist der Klassiker.

Als ich vor über 20 Jahren anfing zu illustrieren, folgte auf die Beantwortung der Frage oft sehr vorschnell die Feststellung »Ah verstehe, Du machst Kinderbücher!«. Das fand ich ärgerlich klischeehaft, als Frau sofort bei den Kinderbüchern verortet zu werden. Das passiert inzwischen selten. Die Menschen scheinen mit den verschiedenen Bereichen der Illustration vertrauter zu sein.

 

Larissa: Dass Kunst schön ist, aber auch Arbeit macht, wusste ja schon der gute alte Valentin … Menschen, die mit kreativen Berufen wenig in Berührung kommen, haben oft gar keine Vorstellung wie unser Berufsalltag aussieht. Dass es auch anstrengend, frustrierend und schwierig sein kann, Bilder zu malen, können viele vielleicht nicht nachvollziehen.

 

Ein anderes Thema, das beim Lesen der Ausgabe auffällt, ist der gesellschaftliche Druck, der Arbeit oft sorgenreich macht. Wie steht ihr dem gegenüber und was würdet ihr nachfolgenden Generationen mitgeben wollen?

 

Carolin: Es stimmt, Arbeit kann oft verbunden sein mit Druck, Statuskämpfen, Stress und starker Konkurrenz. Eigentlich würde man ja denken, dass wir es schaffen, dank moderner Techniken weniger zu arbeiten und das Leben mehr genießen. Aber ich habe oft das Gefühl, das Gegenteil ist der Fall. All diese Techniken verlangen von uns, in immer kürzerer Zeit rund um die Uhr zu reagieren und erreichbar zu sein. Wenn ich in der Position bin, Tipps zu geben wäre es vielleicht der klassische Rat, sich einen Job zu suchen, der einen erfüllt und Spaß macht. Wenn man damit dann finanziell noch über die Runden kommt, super!

 

Stephanie: Die Arbeitswelt ändert sich rasant durch die Digitalisierung. Auch wir Illustratoren haben uns schon viel Sorgen gemacht, ob Zeitungen, Bücher, Magazine überhaupt irgendwann noch gelesen und gebraucht werden und damit ja unsere Arbeit für diesen Kundenkreis. Die Bedürfnisse, Strukturen und Zielgruppen verändern sich, aber die Nachfrage nach Illustration ist ungebrochen da und wir schwimmen im Strom noch mit.

Meine älteste Tochter steht an der Schwelle zum Studium und der großen Frage, wie sie ihr weiteres Leben beruflich gestalten möchte. Die Entscheidung erscheint ihr einschüchternd gewichtig. Ich versuche ihr zu vermitteln, dass nur erstmal die Weichen gestellt werden in eine Richtung, die aber nicht stur eingehalten werden muss. Dass sie ihren wirklichen Interessen folgen soll, etwas Zukunftsweisendes und gesellschaftlich Relevantes machen sollte und monetärer Erfolg zweitrangig ist.

 

Larissa: Ich finde das ist überhaupt das größte Problem der heutigen Zeit, dieser Druck, der sich durch unsere Gesellschaft zieht, dem man scheinbar nicht entkommen kann, den aber jeder eigentlich als ungesund und belastend empfindet. Der Druck und die Angst finden in erster Linie in unseren eigenen Köpfen statt. Gerade hier in Deutschland könnten wir uns echt mal zurücklehnen und ein viel entspannteres Leben führen, wenn wir bescheidener werden und überlegen, was wir eigentlich wirklich an materiellen Dingen brauchen, um glücklich zu sein.

Ich hoffe sehr, dass immer mehr Menschen aus dieser Spirale und dem sinnlosen Konsum aussteigen. Dass das schöne Leben wieder erstrebenswert wird und nicht der Besitz von Dingen. Dass wir immer mehr miteinander teilen, wie Autos, Werkzeuge, Bücher. Dass Solidarität und Gemeinschaft wieder mehr in Mode kommen und nicht jeder nur nach seinem individuellen Glück strebt. Das wünsche ich mir sehr.

Wie sehen gerade eure Arbeitspausen aus?

 

Carolin: Momentan genieße ich es, mir nach der Mittagspause noch einen schönen Eiskaffee zu machen und mich damit einen Moment zurückzulehnen.

 

Stephanie: Wenn meine Kollegin Katharina da ist mit einem ausgiebigen Mittagessen am Tisch. Wenn ich alleine bin, sitze ich selbst beim Essen am Rechner, lese »Spiegel Online« und mache ansonsten gar keine Pausen.

 

Larissa: Pausen sind sehr wichtig! Gerade wenn man kreativ arbeitet ist es oft gut mal wieder Abstand zu gewinnen und loszulassen. Unbewusst arbeitet es dann trotzdem in einem weiter… Oft habe ich während einer Pause oder auch auf dem Heimweg auf dem Fahrrad die besten Ideen und inspirierendsten Einfälle!


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