Von Daniel Beskos
"Fidel Castro LIEBT Schokomilkshakes. Damit fing alles an. Die CIA versuchte in den 70ern (angeblich), ihn mit einem vergifteten Milkshake zu beseitigen, Castro trank den Shake auch. Es klappte aber nicht, weil derjenige, der das Gift einfüllen sollte, es sich dann doch nicht getraut hat. Fidels Version ist allerdings, dass er den Shake getrunken und aufgrund seiner überragenden Stärke einfach überlebt hat.
10 Jahre später saß Castro dann in den USA im Pentagon, es ging in wichtigen Gesprächen um einen Gefangenenaustausch. Er wollte zunächst gar nicht darauf eingehen, weil er sagte, er könne hier keinem vertrauen, da die USA versucht hätten, ihn mit dem Milkshake zu vergiften. Die verdutzen Beamten recherchierten, sagten dann: Wir wissen davon, aber wir haben damit nichts zu tun. Erst dann konnten die Gespräche losgehen."
Michael Hoerger erzählt diese Geschichte, er hat sie lange recherchiert. Sie ist nur eine von vielen Geheimakten, die irgendwie mit einem Essen oder Lebensmittel zu tun haben, und die jetzt erstmals versammelt sind in dem Buch Edible Secrets, das bei Microcosm Publishing erscheinen wird.
Microcosm Publishing, der Verlag, den ich heute besuche, sind 1996 aus einem Fanzine-Vertrieb entstanden und haben irgendwann angefangen, auch eigene Zines, Bücher, Platten und DVDs zu veröffentlichen.
Heute Abend haben sie zu einem Verlagsabend eingeladen, ins Needles & Pens, einem kleinen Laden, der sich "DIY Goods & Zine Shop & Art Gallery" nennt.
Der Laden ist klein, aber gut gefüllt, es sind einige hippe San Franciscians hier, alle ziemlich jung, die meisten tätowiert, einige mit Karohemden, großen Brillen und noch größeren Löchern in den Ohren. Microcosm Publishing ist ein Verlag aus der Do-It-Yourself-Szene, und das merkt man auch.
Joe Biel, der Gründer des Verlags, stellt das ganze Projekt auf der Webseite so vor:
"We like hand-done, unique, historical, educational, cooking, bicycling, and instructive zines. We like zines containing information you'd be hard pressed to find elsewhere. We like to learn
about things we didn't know we were interested in. We like the occasional literary work. Screen printed or otherwise fancy covers are a huge plus. Creative layout never hurts either. As far as we
are concerned, cut and paste = good, magazine formatting = bad.
Neben den eigenen Veröffentlichungen sind MP auch noch immer ein Vertrieb für Zines aller Art. Und so lerne ich an diesem Abend noch einiges kennen, z.B. Yetipublishing, die Literaturmagazine Birkensnake und Watchword Press, das Electric Ant Zine (Comics), das Projekt Memoir Journal sowie den Indie-Verlag Scraped Knee.
Alles schön im Punk-Schnipsellayout oder in Handschrift - und es gibt noch hunderte weitere. Der ganze Laden ist voll damit.
Hört sich also alles sehr idealistisch an, und sehr strikt dem D.I.Y.-Ethos verschrieben. Ich bin aber doch neugierig und will ein bisschen mehr wissen, gerade über die wirtschaftlichen Hintergründe.
Und die Zahlen finde ich dann auch in der Tat erstaunlich: Microcosm veröffentlichen im Jahr ca. 12 Bücher, wobei die meisten dieser Veröffentlichungen unter 10 Dollar kosten (mal kurz: Das sind
nicht einmal 7,50 Euro!). Sie haben ein Team von 9 (!) Leuten, die alle mehr oder weniger Vollzeit in Verlag und Vertrieb beschäftigt sind. Und wenn man sich jetzt noch überlegt, dass der Verlag
seinem Vertrieb in den USA ca. 60% Rabatt abgibt, fragt man sich schon, wie das alles funktionieren soll.
Das Einzige, was da hilft, sind halbwegs hohe Auflagen, und die haben sie: Im Schnitt zwischen 3.000 und 10.000 Stück drucken sie pro Buch.
"Wir haben über die Jahre einfach eine große Anzahl an Stammlesern aufgebaut", sagt Joe Biel. "Daneben machen wir Pressearbeit und nicht zuletzt: Unsere Bücher sind einfach sehr billig, dadurch
verkaufen wir sehr viele. Am besten gehen unsere Ratgeber wie Making Stuff, Make a zine oder Make your Place, aber auch In search of the lost taste geht gerade
sehr gut, ein veganes Kochbuch von Joshua Ploeg, der auch der travelling chef genannt wird - er fährt durch die Gegend und kocht bei Veranstaltungen."
Als ich ihn auf das Thema Ebooks / Kindle / iPad anspreche, lacht er nur: "Naja, fürs Kindle etwa haben unsere Veröffentlichungen zu viele Grafiken und Bilder, außerdem kosten alle unsere Bücher weniger als 10 Dollar - und da der Ebook-Preis bei Amazon ja in der Regel 9,99 Euro ist, kaufen die Leute eben lieber unsere richtigen Bücher, die sind meistens ja sogar noch billiger." Tja, Thema abgehakt.
Zum Abschluss setzen sich alle auf den Boden, es wird noch ein Film gezeigt, der bei MP gerade auf DVD erschienen ist: Die Dokumentation "If it ain't cheap, it ain't punk" , eine Doku über Plan-it X Records, ein Label, das in den USA für die D.I.Y.-Bewegung eine zentrale Rolle spielt und mit dem der Verlag eng zusammenarbeitet.
Der titelgebende Spruch ist die Richtlinie des Labels, das seine CDs für maximal 5 Dollar verkauft (auch hier wieder: Keine Ahnung, wie sich das rechnet). Der Dokufilm zeigt die
Geschichte des Labels von 1994 bis heute, featured Interviews und Livematerial vom Labelgründer, von Bands (Against me, This Bike is a Pipe Bomb) und vor allem zeigt es jede Menge treuer
Fans, die für Veranstaltungen des Labels aus allen Teilen der USA und sogar aus dem Ausland anreisen.
Hier der Trailer zum Film:
Vieles darin ist sehr 90er-Jahre-mäßig, klar, viele Bilder sind ja auch aus den 90ern. Aber was mich an diesem Abend wirklich positiv überrascht hat, ist die Tatsache, dass es diese im Film vielbeschworene Szene hier tatsächlich bis heute noch gibt, und sie sehr aktiv und alive zu sein scheint. Beiden, Verlag und Label, scheint es dadurch möglich, ihre Projekte weiterhin so umzusetzen, wie das ursprünglich auch angestrebt war - von Musikkrise, Digitalisierung und Abwanderung ins Internet ist hier wirklich nicht viel zu spüren.
Ich esse noch schnell einen Happen von dem veganen Burrito und mache mich dann auf. "Thanks for visiting", sagt Joe. Danke ebenfalls.