"Inspirierend und schön, wie verschieden jede arbeitet" - Ludmilla Bartscht im Interview

 Acht deutsche SPRING-Zeichnerinnen haben in einer Schriftstellerresidenz nahe Bangalore acht ihrer indischen Kolleginnen getroffen und mit ihnen gemeinsam die aktuelle Ausgabe des SPRING-Magazins erarbeitet. In den Comics und Zeichnungen erzählen sie vom Leben als Frau in unterschiedlichen Kulturen, von Vorbildern, offenen Fragen, Sexualität, Stolz, Gewalt und Konflikten. Die Geschichten sind unterhaltsam und dramatisch, persönlich und allgemeingültig. Viele von ihnen drehen sich um einen oft ignorierten Zustand, den kaum einer anzusprechen wagt – "The elephant in the room", wie es im Englischen so schön heißt.

Ludmilla Bartscht erzählt uns im Interview von ihren Eindrücken und Erfahrungen während des Aufenthalts und von der Entstehung des neues SPRING-Magazins.

Wie sah euer Arbeitsalltag in Indien aus?

Zu Beginn haben wir einen Zeitplan für alle 10 Tage gemacht und jede hatte die Möglichkeit, einen kleinen Workshop anzubieten. Die ersten Tage gab es nach dem Frühstück eine Art Zeichen-Warm-Up. Von reinen Zeichenübungen bis zu Kreativ- oder Textübungen gab es alles.

Nach diesem gemeinsamen Start in den Tag hat sich jede einen Arbeitsplatz gesucht und für sich überlegt, skizziert, gezeichnet. Da es nicht wirklich viele Zeichentische gab, hatten manche ihren Arbeitsplatz auf dem Bett, auf einer Decke auf der Wiese oder auf einer Steinbank. Abends haben wir uns gegenseitig vorgestellt, was wir machen.

Nach zwei Tagen hatten wir die erste große Besprechungsrunde, in der wir uns gegenseitig die ersten Ideen und Ansätze gezeigt und erzählt haben. Da wir 16 Zeichnerinnen waren, ging das sehr lang und wir mussten das aufteilen. Dann hat sich wieder jede an ihren Arbeitsplatz zurückgezogen. Wer wollte hat das Gespräch zu zweit oder in Kleingruppen gesucht. Wir waren ja auf kleinem Raum zusammen, so dass man immer irgendwo jemanden fand und im Vorbeigehen sehen konnte, was sie gerade macht.

Welche Erfahrungen habt ihr gesammelt?

Ich denke, jede hat für sich andere Erfahrungen gemacht. Für mich war es sehr inspirierend und schön zu sehen, wie unterschiedlich jede arbeitet. Gleichzeitig fand ich es manchmal schwer, mich auf das eigene Projekt zu konzentrieren, weil ich am liebsten allen über die Schulter geschaut hätte, um mitzubekommen, wie sich deren Projekte entwickeln. Ich hatte meinen Arbeitsplatz unter einem kleinen Baum, der mir Schatten spendete. Wenn ich sehr konzentriert arbeiten wollte, hörte ich Musik über meine Kopfhörer, wenn ich offen für Gespräche war, hatte ich sie nicht auf. Wenn jemand Lust hatte, war sie willkommen, sich zu mir auf meine Decke zu setzen. Entweder sprachen wir dann über ihr Projekt oder über meines oder über ganz anderes.

 

Gegen Ende haben wir die Warm-Ups durch Gruppen-Besprechungen ersetzt. Uns war es sehr wichtig, immer wieder einen Austausch herzustellen und die Geschichten gegenseitig zu begleiten und zu fördern. Ich fand es außerordentlich spannend, wie sich die Geschichten von der ersten Idee bis hin zum fertigen Beitrag entwickelt haben. Ich bin zum Beispiel ganz woanders gelandet, als ich erwartet habe. Ursprünglich wollte ich einen „klassischen" Comic machen, habe aber aus Ratlosigkeit zwischendurch Ananas-Strips gezeichnet … tja, und am Ende wurde das dann mein Beitrag. Ohne den Zuspruch der Gruppe hätte ich das nicht gewagt.

Habt ihr in der Zeit dort etwas gelernt?

Ich habe für mich gelernt, dass die Bedürfnisse nach Anerkennung, Unabhängigkeit oder Zuneigung überall gleich sind und eigentlich nur die Rahmenbedingungen anders und dementsprechend Einfluss auf jede Einzelne haben.

 

Was war das Highlight eures Aufenthalts?

Natürlich war das Essen ein Highlight. Vegetarisch, immer frisch und sehr vielseitig. Einfach köstlich!

Wovon habt ihr euch für eure eigene Geschichte inspirieren lassen?

Auch hier war der Zugang zu einer Geschichte sehr unterschiedlich. Viele haben ihre Inspiration in der eigenen Biografie oder Familiengeschichte gefunden, aber es gab auch Themen, bei denen wir gemerkt haben, da hat jede eine Story zu erzählen. So sind die kurzen Geschichten/Comic-Strips wie die Bra-Stories im neuen SPRING entstanden. Wir hatten viel Spaß dabei, uns gegenseitig die absurdesten Geschichten zu erzählen, aber auch tragische und erschreckende Erfahrungen haben wir ausgetauscht. Natürlich hat nicht alles den Weg in das neue Spring gefunden. Teilweise weil wir das nicht wollten und weil wir auch fanden, wie wichtig es ist, Mut zu machen. Gleichzeitig nichts zu verschweigen, ein Mittelmaß zu finden, das ist die Kunst. Ich hoffe, das ist uns mit dem neuen SPRING gelungen!

Fotos: Larissa Bertonasco

 


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