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Less books, more attention - DAS MAG

Von Daniel Beskos und Stefanie Ericke

 

"Die große Leistung von Das Mag ist es, Literatur in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise und des allgemeinen Niedergangs der Branche wieder cool und spannend gemacht zu haben." (Eva Cossée, Verlegerin Cossee Verlag).

 

Toine Donk, Daniël van der Meer
Toine Donk, Daniël van der Meer

 

Über keinen anderen Verlag wird derzeit in den Niederlanden so viel gesprochen wie über Das Mag. Sie sind Hoffnungsträger und Anstoß kontroverser Diskussionen zugleich, ihr Enthusiasmus ist gerade für viele junge Autoren und deren Leser mitreißend. Wir haben mit den beiden Gründern Toine Donk und Daniël van der Meer über Badewannen, Investoren und natürlich schöne Bücher gesprochen.

 

Vor ziemlich genau 5 Jahren fing alles an. Jährlich im März findet der berühmte Boekenbal statt, die Eröffnungsgala der niederländischen Buchwoche, zu der jeder, der in der Branche arbeitet, unbedingt eingeladen werden möchte. Toine Donk hatte ein Ticket bei einer Verlosung gewonnen, Daniël van der Meer wurde von seiner Mutter mitgenommen, die selbst Autorin ist. Toine machte damals einen kleinen Literaturpodcast namens Literaturfest, bei dem sehr unverkrampft und ohne großes Hintergrundwissen über Leseeindrücke und Bücher gesprochen wurde. Der Podcast hatte vielleicht 80 Zuhörer, Daniël war einer davon, er war damals auf der Suche nach einer geeigneten Veranstaltung für ein Kulturzentrum. Gegen 3 Uhr morgens sprachen die beiden zum ersten Mal miteinander, Daniël schlug vor, die Literaturfest-Show einmal live auf eine Bühne zu bringen.

 

Toine: Da waren so viele wichtige Leute, und dann kommt auf einmal jemand zu mir, der ausgerechnet mich und meinen Minipodcast kannte. Das war seltsam. Wir sprachen dann darüber, dass wir beide manchmal das Gefühl haben, dass vieles, was im Buchbereich gemacht wird, so uninteressant ist, dass es einen im Grunde praktisch davon abhält, ein Buch in die Hand zu nehmen. Und das war doch komisch, denn alle unsere Freunde lieben es eigentlich, zu lesen. Also beschlossen wir, eine Liveshow zu organisieren, die Spaß machte, und auch gleich ein Literaturmagazin herauszubringen. Normalerweise wacht man dann am nächsten Morgen mit einem dicken Kopf auf und denkt sich: Haha, super Abend, bescheuerter Plan. Aber nein, diesmal war es anders, ich schrieb Daniël eine Mail und wir machten die erste Show. Den Podcast habe ich danach nie wieder gemacht, nur noch die Show.

 

Beide hatten Politik studiert und wenig mit der Literaturbranche zu tun. Sie hatten daher auch keine konkreten Vorstellungen, was bei Literaturveranstaltungen üblich war und konnten ihre eigenen Regeln aufstellen. Eine davon war: Es darf uns nicht langweilen.

 

Toine Donk in der Wanne beim "Literaturfest", 2012
Toine Donk in der Wanne beim "Literaturfest", 2012

Ihr habt also für die Show je ein Buch gelesen und dann mit wechselnden Gästen vor Publikum darüber gesprochen?
Daniël: Genau, mal hatten wir einen bekannten Literaturkritiker dabei, mal auch einen Rapper, ganz unterschiedlich. Um mal eine Vorstellung von so einem Abend zu bekommen: Während die Zuschauer reinkamen, saß Toine auf der Bühne in einer vollen Badewanne. Nackt, versteht sich.

Toine: Leider hatten wir damals noch keine guten Praktikanten. Der Schaum war nicht immer da, und das Wasser war entweder viel zu kalt oder viel zu heiß.

Daniël: Aber es hat großen Spaß gemacht.

Zur Literaturshow kam dann irgendwann noch die Zeitschrift Das Magazin dazu, mit der die beiden ein regelmäßig erscheinendes Medium für junge Autoren schufen. Inzwischen gibt es vier Ausgaben pro Jahr, mit einer Auflage von 4.500 Exemplaren ist es die größte Literaturzeitschrift der Niederlande. Die Autoren fanden sie über ihr immer größer werdendes Netzwerk und die Gestaltung besorgte das Designbüro Vruchtvlees, das sie im Internet entdeckt hatten. Fehlte nur noch die Finanzierung. Dazu starteten sie ein Crowdfunding, eines der ersten in den Niederlanden. Sie sammelten 5.000 Euro ein und konnten die erste Ausgabe produzieren.

 

Toine: Wir hätten nie gedacht, dass wir das Geld zusammenkriegen würden. Aber kurz zuvor hatte das Kulturministerium angekündigt, sämtliche Förderungen für Literaturmagazine zu streichen, und genau da kamen wir mit der Crowdfunding-Aktion um die Ecke und sagten unseren Lesern: Wir brauchen keine Förderung, wir wollen Eure Unterstützung! Wir hatten Glück mit dem Timing.

 

Toine: Wir hatten schon immer hundert Ideen, wir konnten nur nicht immer alle auch umsetzen. Aber eine Idee, die wir schon immer machen wollten, waren die Buchclub-Festivals, die wir seit 2013 veranstalten. Das Magazin war eine Plattform, mit der man die eigene Marke (um ein schlimmes Wort zu benutzen) oder die eigene Community (um ein etwas besseres Wort zu benutzen) aufbauen konnte, von dort aus konnte man dann noch andere Sachen machen. Natürlich ging es auch darum, uns eine Einnahmequelle aufzubauen.
Daniël: Die Idee des Buchclubs entstand daraus, dass wir viele Leseexemplare von Verlagen erhielten, meist mehr als wir brauchten. Die Verlage wollten keine Anzeigen im Magazin schalten, aber sie schickten uns tonnenweise Leseexemplare ihrer Bücher, oft, bevor sie im Laden zu kaufen waren. Unsere Freunde fanden das sehr cool. Wir hörten also aus den USA von der Idee, Buchclubs zu veranstalten, und auch die Verlage und ihre Autoren fanden das sehr reizvoll. Sie konnten Bücher einem kleinen Kreis von Lesern vorstellen und sie mit ihnen besprechen, bevor sie veröffentlicht waren.

Toine: Es funktioniert also so: Alle Zuschauer kriegen vorher von uns die Leseexemplare, lesen sie zur Veranstaltung, treffen dann auf den Autor und sprechen mit ihm darüber, in einem ganz normalen Gespräch. Die erste Veranstaltung war großartig. Es war eine ganz neue Erfahrung. Und für den Autor waren es die allerersten Rückmeldungen seiner Leser. Wir waren alle sehr enthusiastisch. Ich bin dann direkt danach in den Urlaub nach Griechenland gefahren. Ich dachte: Wir sollten so eine Veranstaltung jede Woche machen! Ich konnte nicht schlafen, es war total heiß - und dann kam ich auf die Idee, das Ganze als Festival zu machen, mit 30 Events in einer Nacht an unterschiedlichen Orten! Und genauso haben wir es dann gemacht. 

 

Nach drei erfolgreichen Festivals in Amsterdam veranstaltete Das Mag auch Festivals in Gent, Antwerpen und London.
Am 24. Juni 2016 wird es auch erstmals eine Ausgabe in Berlin geben, mit deutschen und niederländischen Autoren.

 

 

Viele Autoren aus den Niederlanden und Flandern lernten über die Festivals die Arbeit von Das Mag kennen. Mit ihren Workshopwochenenden, ihrem Magazin, ihrer Aufmerksamkeit auch für kleinste Details und ihrer unkonventionellen Art schafften sie es in relativ kurzer Zeit, eine große Community aufzubauen, die ihnen und ihrer Arbeit vertraute. Das sollte auch bei ihrem nächsten Schritt entscheidend sein: Der Gründung eines Verlags.

 

Daniël: Wir hatten ja schon lange mit Verlagen gearbeitet, bei Buchpräsentationen, in der Pressearbeit, auch im Lektorat. Im Grunde haben wir oft Arbeiten gemacht, die zum Kerngeschäft eines Verlags gehören, und zwar für andere. Wir dachten also irgendwann: Wir könnten das auch vereinen und für unseren eigenen Verlag machen. Natürlich ist es ein langer Weg, das dann auch wirklich zu tun, aber viele Autoren waren sofort da und sagten: Wenn ihr einen Verlag startet, will ich mein nächstes Buch mit euch machen!
Toine: Wir haben dann etwa zwei Jahre an den Vorbereitungen gearbeitet. Wir haben mit vielen Autoren gesprochen, einige davon waren deutlich über unserer Liga, aber wir wollten einfach mal hören, wie die Ansichten und Bedürfnisse von Autoren in Bezug auf einen Verlag sind.

 

In Deutschland ist die Gründung neuer Verlage ja kaum noch eine Nachricht wert, fast jeden Monat, so scheint es, gibt es einen neuen. Anders in den Niederlanden: In den letzten 10 Jahren wurden dort nur sehr wenige Verlage gegründet, die meisten als Imprints größerer Konzerne oder als sehr kleine Unternehmen, die nicht weiter in Erscheinung treten. Das mag einer der Gründe für die große Aufmerksamkeit sein, die Das Mag derzeit entgegengebracht wird.

 

Toine: Der entscheidende Punkt war dann der, als wir den Hinweis auf einen Investor kriegten, der möglicherweise interessiert sein könnte: Leon, der ehemaligen Chef von Mojo, der größten Konzertagentur des Landes. Es hat etwas gedauert, dann hatte ich seine Mailadresse rausgefunden und schrieb ihm. Er antwortete sofort und wollte uns treffen. Das war schon mal das Erste, was ungewöhnlich war. In der Verlagsbranche dauert ja immer alles ewig. Er hörte sich unsere Pläne an und sagte dann: Ich kenne jemand, der sich mit dem Verlegen auskennt, und ich finde, er sollte mal dazukommen. Er hat aber nicht gesagt, wer das war.
Daniël: Wir wollten das natürlich unbedingt wissen. Bei unserem Treffen hatte Leon uns eine großartige Geschichte erzählt: Es gibt in Amsterdam einen reichen Mann, der eine Katze hatte, mit dem schönen Namen J.P. Morgan. Nach ihrem Tod hat er ihr zu Ehren ein Museum gebaut, in der alle mögliche Kunst rund um Katzen ausgestellt ist. Und wie das bei Millionären eben so ist, kennen sich Leon und Bob Meijer, der Gründer des Katzenmuseums. Sie hatten zusammen mit anderen reichen Männern einmal eine Oldtimer-Tour Richtung Asien unternommen, bei der sie immer ein Stück fuhren, ihre Oldtimer dann irgendwo parkten und nach Hause flogen; ein paar Monate später nahmen sie ihre Reise dann wieder auf.

Toine: Sie kamen schließlich bis nach Bhutan, wo sie sogar der Königin vorgestellt wurden (was aber "nicht so eine große Sache war, weil der König drei Ehefrauen hatte, die außerdem auch noch Schwestern waren", wie sie uns erzählten). Man muss sich das nur mal vorstellen: Wir zwei Jungs sitzen da und hören uns diese Geschichten an.
Daniël: Was wir ja eigentlich rausfinden wollten, war, wie der reiche Mann hieß, der sich in der Verlagsbranche auskannte. Ich hab also gegoogelt und einen Artikel in einer türkischen Zeitschrift gefunden, wo es um die Oldtimer-Tour ging. Und einer der Männer auf dem Foto war es dann: Oswald Schwirtz.
Toine: Wir trafen also die beiden. Es war ein nettes Gespräch. Es ging um alles Mögliche, und dann ungefähr in der allerletzten Minute schauten sie sich an und sagten, so nebenbei wie man das nur sagen kann, zueinander: "Du bist dabei?", "Ja, du auch?" Und dann waren sie weg. Und wir so: "Was zur Hölle war das denn?"
Sie gaben uns dann das Geld, mit dem wir starten konnten, für die ersten Angestellten, die ersten Vorschüsse und das erste kleine Büro. Dann kamen noch einige weitere Investoren dazu, unter anderem Arnon Grünberg, und dann konnte es losgehen.

 

Das Mag starteten dann eine einmalige Crowdfunding-Aktion: Sie riefen dazu auf, einer von 3.000 Mitgründern des neuen Verlags zu werden. Für 50, 100 oder 200 Euro bekam man verschiedene Buchpakete, exlusive Vorabversionen, signierte Bücher und Einladungen zu Events. Zu Anfang schien die Zahl von 3.000 Menschen unerreichbar hoch, doch letztlich kamen innerhalb eines Monats wirklich fast 3.200 Interessierte zusammen, die ihr Geld investierten. Der Verlag Das Mag war geboren und das erste Programm mit den Autoren Maartje Wortel, Lize Spit und Walter van den Berg konnte produziert werden - und hatte auf diese Art natürlich auch sofort über 3.000 Leser.

Daniël: Unser Claim war von Anfang an: Less Books. Also mehr Aufmerksamkeit auf weniger Titel. Wir schauen auch gar nicht so sehr danach, was andere Verlage machen, wir orientieren uns eher an ganz anderen Branchen, wie etwa der Musikbranche.

Toine: Die Literaturbranche scheint uns in vielen Bereichen nicht auf der Höhe der Zeit. Und ohne große Erfahrung an etwas heranzugehen, erscheint uns sehr oft als Vorteil. Wir lassen uns gerne alle Konventionen erklären, aber wenn wir sie beim zweiten Mal noch immer nicht verstanden haben, machen wir es einfach anders.

 

In den ersten Ankündigungen haben die beiden mit ihrem Team dann auch ziemlich große Töne angeschlagen und versprachen, alles besser zu machen als andere Verlage, etwa in ihrem Blog auch oder in einem Artikel im Volkskrant, was von Seiten der etablierten Verlage recht heftige Reaktionen hervorrief. Aber Trommeln gehört eben zum Geschäft, der Dialog war eröffnet und Das Mag mittendrin. Doch sie mussten auch lernen, wie schwierig der Einstieg in dem doch recht langsamen Geschäft ist.

 

Toine: Die Reaktionen der Buchhändler waren am Anfang praktisch gleich null. Der klassische Satz, der wirklich aus jeder Buchhandlung zu hören war: Wir warten mal ab, was passiert. Was natürlich blöd ist, denn wenn das jeder so macht, passiert ja auch nichts. Wir merkten also: Das würde nicht einfach werden. Aber wir wussten auch, dass die meiste Aufmerksamkeit über die Presse kommen würde. Trotzdem war es nicht leicht, unseren neuen Autoren, die zum Teil von größeren Verlagen zu uns gewechselt waren, zu sagen: Es kann gut sein, dass deine Bücher nicht in jedem Buchladen liegen werden.

Daniël: Aber wir haben auch wahnsinnig viele tolle Reaktionen bekommen, vor allem in den sozialen Netzwerken, aber auch von anderen Verlagen. Uns ist bewusst, dass wir rüpelhaft und aggressiv waren, aber es war notwendig für die erste Aufmerksamkeit, und viele Verlage haben das auch verstanden.

 

 

 

Mit dem großen Erfolg von Lize Spits Debütroman Het smelt (erschienen Mitte Januar 2016, bereits jetzt, Ende Februar, sind mehr als 30.000 Exemplare verkauft) stellte sich dann aber auch im Buchhandel so langsam die gewünschte Aufmerksamkeit ein. Ein vielversprechender Start, der im Frühjahr mit den neuen Büchern von Jelle Brandt Corstius, Catherine Lacey und Marek Sindelka hoffentlich fortgesetzt wird.

 

Im Sommer 2016 wird im mairisch Verlag eine deutschsprachige Ausgabe von Das Magazin erscheinen mit einem Best-Of der jungen Gegenwartsautoren aus den Niederlanden und Flandern.

 

Das Mag Festival Berlin findet am 24. Juni 2016 statt.

 

 

 


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