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"Ich bin voll reingegangen": Lize Spit, Autorin

Von Daniel Beskos

 

Lize Spit ist die Autorin der Stunde. Ihr Buch Het smelt (Es schmilzt) ist im neugegründeten Verlag Das Mag erschienen, über den zur Zeit in den Niederlanden sowieso alle sprechen, und hat gleich in sämtlichen Medien Lobeshymnen erhalten. Die Rezensenten überschlagen sich mit Superlativen, vergleichen Lize Spit mit Ian McEwan und Dimitri Verhulst, das Buch bekommt - selten für Debütanten - 4- und 5-Sterne-Kritiken (in den Niederlanden ist das Sternesystem sehr wichtig und in fast allen Zeitungen standardisiert). Überall erscheinen große Portraits über die junge Belgierin, sie wird zu Talkshows eingeladen, bereits nach wenigen Wochen sind über 20.000 Exemplare verkauft. Lize Spit sagt dazu: "Ich bin doch kein Hype". Ich habe die Autorin zum Gespräch in Amsterdam getroffen.

 

Lize, wie fing es bei dir an mit dem Schreiben?

Eigentlich wollte ich mein erstes Buch veröffentlicht haben, bevor ich 20 war. Ich wusste aber nicht, wie das geht. Ich habe Drehbuch studiert, nebenbei habe ich Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben, aber noch nicht das Buch. Ich musste warten, bis ich soweit war.
Hier bei uns funktioniert es so: Dein erstes Buch legt fest, als was du wahrgenommen wirst. Und ich wollte immer als Romancier gesehen werden. Es war mir also immer klar, dass das erste Buch ein Roman werden sollte. Aber es hat sehr lange gedauert, bis ich das Gefühl hatte, ich bin soweit, ich kann das, und es wird auch gut.

 

Het smelt hat 480 Seiten - wie lange hast Du jetzt an dem Buch geschrieben?

Ein Jahr.

 

Nur ein Jahr?

Ja, ich wusste, dass ich ein Jahr Zeit hatte, bis der Verlag Das Mag sein erstes Programm rausbringen würde. Und deren Gründungs-Crowdfunding-Aktion würde mir ja schon 3000 Leser sichern, ich wusste also, dass es viel Aufmerksamkeit für das erste Verlagsprogramm geben würde, daher beeilte ich mich, fertig zu werden. Ich habe fast 16 Stunden jeden Tag daran gearbeitet. Es war ein bisschen verrückt. Am Ende dieses Jahres brauchte ich eine Brille.

Lize Spit

*1988, ist in einem kleinen Dorf in Belgien aufgewachsen und lebt jetzt in Brüssel. Sie schreibt Theaterstücke, Gedichte und Prosa. 2013 gewann sie den Literaturnach-wuchswettbewerb Write Now!
Der Roman Het smelt ist ihr erstes Buch.


Ich habe so lange gewartet, bis ich mit dem Schreiben anfing, ich hatte die Geschichte im Grunde schon komplett im Kopf, ich habe mir auch eine Timeline gemacht und alles, aber ich hatte eben noch nicht mit dem Schreiben begonnen. Irgendwann ging es dann los. Es war sehr intensiv, und ich habe alles reingelegt, ich musste glaube ich auch einiges loswerden.
Aber natürlich hatte ich auch viele Zweifel - ist es klug, jetzt schon alles, was ich solange im Kopf gesammelt hatte, auf einmal wegzugeben? Was wäre, wenn niemand das Buch beachten würde, dann hätte ich alles verschenkt, was ich zu geben hatte. Es war ein bisschen wie beim Poker - geht man voll rein? Ich bin dann voll reingegangen.

 

Zum Glück hat es funktioniert, die Aufmerksamkeit ist da.

Ja, es ist verrückt. Die spinnen alle. Zuerst gibt es eine Besprechung, und eine Woche später macht die gleiche Zeitung dann ein großes Portrait a la Was ist das Geheimnis von Lize Spits Erfolg? und noch eine Woche später machen sie nochmal was. Und auf einmal muss ich da ständig als Gesprächspartner zur Verfügung stehen, das ist nicht ganz leicht. Wenn ich mein Buch in die Talkshow schicken könnte, um mich dort zu vertreten, wäre mir das viel lieber, aber natürlich geht das nicht. Also muss ich da hin.
Und dann hört man dauernd was vom Hype Lize Spit, aber ich finde das blöd, ich bin kein Hype, ich hab mir den Arsch abgearbeitet für dieses Buch, und was jetzt passiert, damit habe ich nichts zu tun. Ich hoffe aber, dass das Buch besser ist als der Hype.

 

Es ist sicher auch nicht leicht, plötzlich als öffentliche Person behandelt zu werden, oder?

Ich versuche, gut auszuwählen, was ich mache. Ich kriege zum Beispiel eine Einladung in die Quizshow "Die klügsten Belgier" oder sowas, und die ganzen prominenten Belgier machen da mit, aber ich kenne mich weder mit Politik noch mit Wirtschaft aus oder so, also warum soll ich dahin gehen? Es hat nichts mit meiner Literatur zu tun. Ich würde mich glaub ich ausgenutzt fühlen. Ich will auch nicht, dass mich jemand toll findet, weil er mich im Fernsehen gesehen hat, aber mein Buch gar nicht kennt. Beim nächsten Buch würde ich auf jeden Fall einiges anders machen.

 

Was glaubst du, woher die heftigen Reaktionen auf das Buch kommen? Eine Besonderheit war ja, dass dein Buch sehr schnell nach Erscheinen in durchweg allen großen Zeitungen besprochen wurde.

In Belgien ist das etwas speziell - die Zeitung De Morgen hat ein gutes Verhältnis zu Das Mag, sie verfolgen deren Aktivitäten (auch die Festivals und so) sehr wohlwollend. De Morgen erscheint immer mittwochs. Ihr größter Konkurrent, die Zeitung De Standaard, erscheint samstags. Mein Buch kam an einem Freitag raus, De Standaard wusste, dass De Morgen in der kommenden Woche etwas machen würden, also hatten sie genau eine Ausgabe, in der mein Buch drin sein musste, wenn sie die ersten sein wollten. Ich hatte ein bisschen Angst, mein Buch würde zum Opfer dieses Wettlaufs werden und sie würden es verreißen. Aber so war es dann ja zum Glück nicht, sogar De Standaard hat dem Buch 5 Sterne gegeben.

 

Und Deine Leser sind vor allem aus Belgien?

Ich habe schon gehört, dass man in Belgien seit längerem darauf wartet, wieder eine junge literarische Stimme zu haben, auf die sich viele einigen können. Es ist natürlich komisch, sowas von sich selbst zu sagen, aber ich glaube, sie sind ein bisschen stolz, mal wieder ein Talent vorweisen zu können. Für die Niederländer sind die Belgier ja immer sowas wie die kleinen Geschwister. Die Leser beider Länder schauen auch nicht so sehr über die Grenze, vor allem nicht, was Debüts angeht. Aber in Belgien gibt es sowieso keine richtige Literaturszene, alles ist sehr verstreut und vereinzelt, nicht wie hier in Amsterdam, wo praktisch alle niederländischen Autoren sind und sich gegenseitig kennen und beeinflussen.

Und wie ist das im französischen Teil Belgiens?
Flandern und Wallonien sind wie zwei getrennte Länder. Wir schauen wirklich kaum auf einander. Ich habe auch ehrlich gesagt keine Ahnung, wie die Literaturszene dort ist.

 

Lize Spit

Het smelt

Die Geschichte einer Frau, die in den Ort ihrer Kindheit zurückkommt. 13 Jahre zuvor hatte sie zwei Männern dabei geholfen, einige Mädchen zu verführen, indem sie Rätsel erfand - bis die Dinge eskalierten. Bei ihrer Rückkehr nun hat sie im Kofferraum ihres Autos einen großen Eisblock dabei - und ein Rätsel, das alles ändern wird.

480 Seiten, 22,95 Euro

http://shop.dasmag.nl/


Und wie ist es als flämische Autorin in den Niederlanden?

So gut wie alle flämischen Autoren haben ja einen Verlag in den Niederlanden. Die Menschen hier mögen glaube ich zwar die flämischen Autoren nicht so sehr, ihr Stil ist ihnen zu französisch, aber sie mögen den flämischen Dialekt sehr, er klingt für sie sehr exotisch. Die Aussprache ist aber auch wirklich anders, wir sprechen das Niederländisch sehr weich. Viele Vokabeln sind anders, auch die Reihenfolge der Worte in den Sätzen weicht oft ab, man erkennt also sofort, wenn es Flämisch ist. Ein Beispiel: In Belgien sagen wir: Hier ist ja keine Katze. Und in den Niederlanden sagt man: Hier ist ja kein Huhn.

Haha, in Deutschland sagt man: Hier ist ja kein Schwein.

Haha! Wirklich? Sagt ihr auch Es regnet Pfeifenstile?

 

Nein, bei uns regnet es Bindfäden.
Ah, wie in Frankreich!

Liest du denn viele aktuelle Autoren?
Es ist mir immer ein bisschen peinlich, aber ich lese sehr wenig. Ich habe auch nicht Literatur studiert. Ich kucke lieber Filme. Ich hab vielleicht 50 Bücher gelesen. Das darf man eigentlich gar nicht sagen. Es heißt aber auch, dass ich eigentlich gar keine literarischen Vorbilder habe.

 

Ein von Das Mag (@dasmag) gepostetes Foto am

Dein Verlag Das Mag hat Dich bei der Arbeit am Buch sehr unterstützt?
Ja. Was toll war: Ich hatte die Lektorin Marscha Holman ganz für mich allein. Sie hatte kein anderes Buch, an dem sie zu arbeiten hatte. Also war sie immer für mich da, sie hat mich motiviert, weiter zu machen. Und Daniel van der Meer, der Verleger, hatte nur die ersten Seiten gelesen und das Manuskript eingekauft. Dann hat er mir vertraut, hat sich rausgehalten, bis die erste Version fertig war, und sie dann erst gelesen, er war dann also noch frisch und konnte nochmal das große Ganze betrachten.

 

Jetzt bist Du mit dem Buch unterwegs, machst Lesungen und Interviews - was sind deine Pläne für danach?

Ich glaube, dieses Jahr passiert erst mal nicht viel anderes. Gerade ist es ein Vollzeitjob, meine E-Mails zu beantworten. Alle wollen was. Aber ich finde es auch richtig so, dass ich jetzt erst mal Zeit brauche, mir was neues auszudenken. Und da es jetzt so gut läuft, werde ich sicher die Möglichkeit haben, irgendwann noch ein zweites Buch zu schreiben. Also: Autorin zu sein. Ich will aber auch nicht alle zwei Jahre ein neues Buch schreiben müssen. Sowas kann ja nicht gut werden.

 



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