"Zeichnung und Text nahtlos verbinden" - Interview mit Raphaela Buder

Raphaela Buder gewann mit ihrer Graphic Novel „Die Wurzeln der Lena Siebert“ in diesem Jahr den Graphic-Novel-Förderpreis AFKAT und somit auch eine Veröffentlichung im mairisch Verlag. Am 21. März ist dieses tolle Buch nun endlich erschienen. Wir haben der Illustratorin ein paar Fragen zu ihrer Person und ihrer Graphic Novel gestellt.

Infos zum Buch gibt es hier.

 

Raphaela Buder wurde 1987 in Berlin geboren. Sie studierte Kommunikationsdesign an der Burg Giebichenstein in Halle und macht zurzeit den Master in Illustration an der Universität der Künste Berlin.

Raphaela, deine Graphic Novel „Die Wurzeln der Lena Siebert“ hat den Graphic-Novel-Preis AFKAT gewonnen und damit eine Veröffentlichung bei uns. Jetzt ist das fertige Buch bei dir angekommen. Wie findest du es, ist es so geworden, wie du es erwartet hast?

 

Das Buch ist sogar noch besser geworden, als ich es erwartet hatte. Im Besonderen die Idee von Carolin Rauen, das Cover auf farbiges Papier zu drucken, war sehr gut. Die Lachs-Farbe erzählt etwas über die Stimmung der Geschichte und fügt dem Buch in diesem Sinne etwas hinzu. Ich bin sehr zufrieden.

 

Wie entstand die Geschichte zu Lena Siebert? Bzw. was war zuerst da, die Zeichnungen oder die Geschichte?

 

Die Geschichte war zu erst da. Darauf folgten die Zeichnungen. Die Figur der Lena Siebert orientiert sich an den Erlebnissen meiner Nichte. Die Geschichte basiert also auf einer wahren Begebenheit. Und dennoch sind alle Figuren und Handlungen fiktiv, genauso wie die Umgebung, die Einrichtung in den Räumen, etc.

Für die Geschichte habe ich lange recherchiert und mich mit dem Themen „Kinder mit psychisch kranken Eltern“ und „Kinder in Pflegefamilien“ intensiv beschäftigt.

Mich bewegt die Frage, wie Kinder mit existenzgefährdenden Situationen umgehen, was es für sie bedeutet, Bezugspunkte, also Sicherheit und Vertrauen zu verlieren, welche Verhaltensmuster sie aufgrund von Verlust und Unsicherheit entwickeln und wie sich ihre Wurzeln auf ihr gesamtes Leben auswirken.

Die Intention der Geschichte lag darin, die Zwiespältigkeit der Hauptfigur zu erzählen. Also die Liebe und auch die Abhängigkeit Lenas zu und von ihrer Mutter, die einerseits identitätsbildend für Lena ist und sie andererseits traumatisiert. Und wie Lena es schafft, sich auf kindliche Art aus diesem Zwiespalt zu befreien.

 

Wie kamst du zum Zeichnen und was genau fasziniert dich an Graphic Novels?

 

Nun, ich denke, ich bin zum Zeichnen gekommen, wie alle anderen auch: Durch das Buntstift-Gekritzel als Kind. Nur habe ich nie mit dem Zeichnen aufgehört. Zum Comic bin ich allerdings erst im sechsten Semester an der Burg Giebichenstein gekommen. Mehr oder weniger durch Zufall. Und hätte mein Professor Georg Barber mich damals nicht zum Comiczeichnen ausdrücklich ermutigt, dann hätte ich es vielleicht bei einigen Strips belassen. Mit seiner Ermunterung habe ich mich dann in die Welt des Comic hineinfallen lassen, und das war eine Offenbarung. Ich hatte das Medium gefunden, das es mir erlaubte, Zeichnung und Text nahtlos miteinander zu verbinden. Hier liegt für mich die große Faszination. Denn mir hatte bis dato weder die Zeichnung noch das Geschichten schreiben alleine gereicht. Jetzt aber konnte ich beide Ausdrucksmöglichkeiten miteinander kombinieren und nicht nur kurze und einfache, sondern lange und komplexe Geschichten erzählen.

 

„Die Wurzeln der Lena Siebert“ ist ganz in schwarz-grau-weiß gehalten und sehr aufwendig schraffiert, was sehr gut zum Inhalt passt. Trotzdem, gab es mal die Überlegung, auch Farben einzusetzen? Wie bewusst wählt man den Stil?

 

Sicherlich gab es hin und wieder einen Gedanken an die Farbe, allerdings zu einem Zeitpunkt, wo ich schon mitten im Zeichenprozess war und da hielt ich es für sinnvoller, den begonnenen Stil konsequent durchzuhalten.

Wie bewusst wählt man den Stil? Ich habe für „Die Wurzeln der Lena Siebert“ etwas gesucht, was still ist und trotzdem deutlich oder eindeutig. Etwas das Klarheit hat und dennoch vibriert. Die Entscheidung zur Bleistift-Monochromie entstand trotzdem mehr unbewusst aus diesen Gedanken.

Unabhängig von meiner Geschichte hat mich damals die Monochromie und der Bleistift gereizt. Ich wollte mich daran abarbeiten und austesten, wohin ich es damit bringen kann. Nachdem das Buch fertig war, habe ich die vierzig Bleistiftstummel weggeworfen und mir vorgenommen, nur noch einen Pinsel in die Hand zu nehmen.

Ich gehe, was die Stilmittel anbelangt, auch von meinem persönlichen Interesse aus. Dennoch versuche ich, das Medium, sei es Bleistift, Tusche oder Acryl, immer im Sinne des zu zeichnenden Inhalts einzusetzen. Es bleibt ein Mittel zum Zweck, denn der Inhalt ist das Wichtigste. Wenn der Inhalt nicht transportiert wird, dann nützt mir die aufregendste Aquarell- oder Bleistift-Zeichnung nichts. In dieser Hinsicht ist der Stil in gewisser Weise zweitrangig.

 

 

Wie entsteht eine Graphic Novel? Gibt es da eine bestimmte Vorgehensweise? Wie lange hat es gedauert, sie zu zeichnen?

 

In meinem Fall war zuerst die Geschichte da. Das heißt, die Ahnung von einer Geschichte. Es gab Erinnerungen an konkrete Vorfälle, die ich in eine Geschichte umwandeln wollte. Ich begann also, alles Mögliche zu meinem Thema zu recherchieren. Dann entwickelte ich die Figuren und begann parallel zu schreiben. Der Schreibprozess ist mühsam. Man beginnt immer wieder von vorne, streicht oder fügt hinzu, so lange, bis man eine schlüssige, dramaturgisch sinnvolle Geschichte hat. Auf Basis dieses Skripts entwerfe ich dann die Vorzeichnung. Das Storyboard überspringe ich oft. Dafür arbeite ich sehr lange an der Vorzeichnung und ändere sie so oft, bis der Comic lesbar und verständlich ist. Auf die ausgearbeitete Vorzeichnung folgt die Reinzeichnung. Wenn ich alle Seiten gezeichnet habe, lasse ich die Arbeit ein bisschen liegen, um der „Betriebsblindheit“ entgegenzuwirken und schaue sie dann noch einige Male genau an. Dann findet man immer noch Rhythmus-Fehler und andere Unstimmigkeiten. Für die „Wurzeln der Lena Siebert“ habe ich von der ersten Idee bis zum letzten Strich ein Jahr gebraucht.

 

Andreas Platthaus lobt das Buch und schreibt: „Ein weiser Comic. Ein schöner sowieso.“ Planst du jetzt weitere Graphic Novels? Oder wie geht es für dich in naher Zukunft weiter?

 

Momentan arbeite ich an zwei großen und einem kleineren Comic-Projekt. Das erste Projekt, eine Comic-Reportage über ein Obdachlosenheim, steht kurz vor der Storyboard-Phase. Das zweite Projekt wird ein biografisches Comic über einen sehr beeindruckenden Mann. Es befindet sich noch in der Recherche-Phase. Das dritte Projekt ist eine Comic-Adaption des letzten Kapitels aus Matthias Jüglers Roman „Raubfischen“.

 

Hast du eine Lieblings-Graphic-Novel?


Eine? Viele! Momentan lese ich „Stiche“ von David Small und Paula Bullings „Im Land der Frühaufsteher“. Außerdem bin ich seit Kurzem ein großer Fan von Herr Seele`s „Cowboy Henk“.


Danke fürs Gespräch!

 


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