Was macht eigentlich ein Verlag? Teil 1: Manuskripte und Lektorat

 

Das Modell, wie Texte zu ihren Lesern finden, ist zur Zeit ja stark im Wandel. Alle reden von Selfpublishing, Books on Demand, E-Books, Blogs, Online-Communities, Smartphone-Apps, Crowdfunding. Immer wieder tauchen Erfolgsgeschichten von Autoren auf, die ihre Texte auf eigene Faust veröffentlichen und dabei "reich" werden. Viel wird dabei natürlich auch durcheinander gebracht, aber manche Entwicklungen stellen für Autorinnen und Autoren tatsächlich neue Wege der Öffentlichkeit und der direkten Kommunikation mit ihren Lesern dar.

 

Warum gibt es trotzdem noch Verlage? Und: Warum betreiben wir überhaupt mit mairisch schon seit so vielen Jahren einen Verlag, wenn das Fahrwasser immer schwieriger wird? Aus Wahnsinn, Geldgier, Langeweile, Leidenschaft?

 

Was machen Verlage eigentlich genau, was sind ihre Aufgabenbereiche, und welche Aufgaben können Verlage auch in Zukunft ihren Autorinnen und Autoren abnehmen - weil sie sie besser können, weil sie Spezialisierung und gewachsene Strukturen erfordern, oder ganz einfach, weil Autoren zu manchen Tätigkeiten keine Lust und Zeit haben?

 

Einen Verlag zu betreiben, hat natürlich auch damit zu tun, Bücher zu drucken, und wenn man Glück hat, etwas Geld zu verdienen. Aber es ist eben auch noch viel mehr. Was wir hier den ganzen Tag noch so tun, das möchten wir Euch in dieser Serie zeigen.

 

Teil 1: Manuskripte und Lektorat

von Peter Reichenbach

"Mich stört, dass auf eurer Website steht, dass ihr keine Manuskripteinsendungen annehmt", sagte mir neulich ein netter Kollege aus dem SuKultur-Verlag. Und ich weiß, was er damit meint. Die Formulierung „Bitte schicken Sie uns keine Manuskripte“ auf unserer Webseite klingt arrogant, sie widerspricht auch dem, wie ich und meine Kollegen mairisch als Verlag begreifen, also eher als einen netten familiären Haufen, bei dem jeder vorbeikommen und dann mit uns runter an die Elbe gehen kann, um bei Kaffee oder Bier alles zu besprechen. Aber der Satz hat natürlich seinen Grund. Bis vor etwa einem halben Jahr stand an gleicher Stelle nämlich das genaue Gegenteil, also eine Anleitung, wie man uns am besten Texte zukommen lassen kann. Die Konsequenz daraus war, dass wir pro Woche ungelogen nie weniger als fünf Manuskripteinsendungen erhielten. Manchmal waren es drei an jedem einzelnen Tag einer Woche. Und zwar oft dicke Romane. Und oft waren es Texte, die sich ganz gut lasen, ein vernünftiges Exposé hatten und auch in unser Programm zu passen schienen. Man musste sich ihnen also schon intensiver widmen, um herauszufinden, ob wir sie machen wollten oder nicht. Und das kostete Unmengen Zeit.

 

"Wenn jeder, der uns schon mal ein Manuskript geschickt hat, auch schon einmal ein Buch bei uns gekauft hätte, wären wir Millionäre", sagt Daniel, was jetzt wiederum gelogen ist. Fest steht aber: In den letzten Jahren haben wir Unmengen an unverlangten Manuskripten gelesen. Und jedes einzelne abgesagt. Kein Text war darunter, der uns letztendlich überzeugen konnte. Alle Einsendungen wurden von Marijke und mir gelesen, wenn wir beide einen Text besprechenswert fanden, dann haben ihn auch noch Daniel, Blanka und Steffi bekommen. Einmal im Monat haben wir uns getroffen und die Einsendungen diskutiert. Es ist dennoch nichts dabei herausgekommen. Und nichts hasse ich mehr, als Absagen zu schreiben, und so habe ich es mir damit nicht leicht gemacht, habe oft ausführliche Begründungen geschrieben. Ich bin zu nichts anderem mehr gekommen. Zu-nichts-anderem-mehr-kommen geht aber nicht bei einem Verlag, der so strukturiert ist wie mairisch.

 

Exkurs: Was man auch machen kann

Unverlangt eingesandte Manuskripte haben wir also nie veröffentlicht. Andere Verlage teilen diese Erfahrung, fast nie ist dies der Weg zum Buch. Aber wo finden wir (und auch andere Verlage) ihre Autoren dann?

Es gibt ein paar Wege, die unserer Ansicht nach besser funktionieren, als einfach ein Manuskript zu einem Verlag zu schicken:

  1. Lesungen
    Der mairisch Verlag ist ja aus verschiedenen Lesereihen heraus entstanden, und wir selbst versuchen, zu so vielen Lesungen wie möglich zu gehen. Bei einer Lesung merkt man (und übrigens auch der Autor selbst) sofort, ob einem ein Text gefällt, was funktioniert und was noch nicht, und man kann sich auch sofort danach persönlich kennen lernen. Und als Autor kann man übrigens auch selbst Lesungen veranstalten, wenn man nicht zu einer eingeladen wird oder keine Lust hat, z.B. an einem Poetry Slam teilzunehmen.
  2. Preise und Stipendien
    Es gibt zu wenige, aber immerhin doch einige Preise und Stipendien, die man gewinnen kann, ohne jemals irgendetwas veröffentlicht zu haben. Wenn man es schafft, hier etwas zu erreichen, dann wird man vielleicht auch in der Verlagswelt besser wahrgenommen. Das bekannteste Beispiel ist der Open Mike oder auch der MDR-Literaturwettbewerb. Eine gute allgemeine Übersicht gibt es beim Literaturport.
  3. Agenturen
    Der Vorteil von Literaturagenturen ist, dass sie im Idealfall mit den AutorInnen am Text arbeiten, gut einschätzen können, welcher Verlag Interesse an genau jenem Text haben könnte und dort auch noch den richtigen Ansprechpartner kennen. Und natürlich nehmen sie einem auch (wenn’s gut läuft) die ganzen Vertrags-Verhandlungen ab und (wenn’s schlecht läuft) die Enttäuschungen direkter Absageschreiben. Dafür bekommen sie in der Regel 15% von allen Einnahmen. Der Nachteil an Agenturen ist, dass man auch dort erstmal genommen werden muss. 
  4. Literaturmagazine
    Einige herausragende Literaturmagazine (wie „BELLA triste“, „Tippgemeinschaft“, „Edit“, „Poet“, „Landpartie“) versuchen wir immer zu lesen. Und nicht zufällig erscheinen alle diese Magazine in Leipzig und Hildesheim, wo sich durch die dortigen Schreibschulen literarische Zentren gebildet haben, an denen sich Autoren kennen lernen, in Austausch kommen, Kontakte bekommen – nicht zuletzt auch zu Verlagen und Agenturen. Sehr empfehlenswert.

Die Türsteher der Literaturdisco?

Manchmal wird Verlagen vorgeworfen, sie würden die literarischen Perlen vielleicht nur nicht erkennen, würden bestimmen, welche Texte als Buch zur Welt kommen würden und welche nicht – und das Ganze bestimmt von markt- und verkaufsorientierten Gründen. Ein Stück weit verstehen wir also natürlich die Frustration von Autoren, die für ihre Projekte keinen oder nicht den richtigen Verlagen gefunden haben. Kein Wunder also, dass Autoren die Möglichkeiten des Internets und des Selfpublishing nutzen – und für manche Projekte ist dies bstimmt der ideale Weg, besser, als jeder Verlag es umsetzen könnte.

 

Andererseits steht ein Verlag wie mairisch ja nicht für den Literaturbetrieb im Ganzen. Und auch wenn es schon viele Bücher gibt und man manchmal gar nicht weiß, wer das alles lesen soll: Es ist nicht unsere Aufgabe, das zu reduzieren. In dieser Position sind wir gar nicht. Kein Verlag ist das. Wir sind keine Literaturverhinderer. Jeder Autor kann schreiben, was und wie und worüber er möchte. Und wenn das Buch dann irgendwo erscheint – umso besser für den Autor.

Aber: Das Verlagsprogramm ist ja unser Programm. Da dürfen und müssen wir bestimmen, was wir veröffentlichen. Und das hat dann nichts mit Arroganz, Verkennung von Talent oder einer Türsteher-Mentalität zu tun. Es hat einfach damit zu tun, dass ein Buch unsere Leidenschaft braucht, um sich durchzusetzen. Wir müssen begeistert sein, um es angemessen vertreten zu können. Denn wir müssen ja auch bereit sein, mindestens ein halbes Jahr unserer Zeit, unserer Arbeitskraft, ja unseres Lebens für dieses Buch hinzugeben. Ganz zu schweigen von dem Geld, das wir hineinstecken, und das nur in manchen Fällen auch wieder zurückkommt. Die Leidenschaft, die alle den kleinen Verlagen immer zusprechen – sie kommt ja letztendlich auch aus dem Manuskript, aus dem, was der Autor geschaffen hat.

 

Vom Manuskript zum Buch und dann weiter

Warum uns ein Text begeistert, ist pauschal eigentlich nicht zu sagen. Ebensowenig lässt sich die Frage beantworten, nach welchen Kriterien wir auswählen oder was in unser Programm passt. Es ist vielmehr so, dass wir danach schauen, ob uns die Idee gefällt, die Sprache, die Umsetzung – und auch, ob der Text seinen selbst gesetzten Anspruch erfüllen kann und rund wird. Das können aber komplett unterschiedliche Herangehensweisen sein – klassischer Roman, Erzählung, Hörspiel, Songtext oder interaktiver Film – wenn es funktioniert, kann es uns begeistern und zu einer Herzensangelegenheit werden. Denn nichts anderes wollen wir veröffentlichen.

 

Wenn wir dann eine solche Herzensangelegenheit gefunden haben (fast immer über einen der oben genannten Wege) – wie geht’s dann weiter?

Das hängt sehr vom Autor ab. Manche liefern Texte ab, die zu 95% druckreif sind und ziehen es auch vor, erst dann über den Text zu sprechen und zu verhandeln. Andere wiederum suchen schon in einem viel früheren Arbeitsstadium den Austausch, schicken Fragmente, Ideen, Szenen. Und wir freuen uns natürlich über diese Einbeziehung. Denn auch wenn es manchmal sehr viel Aufwand bedeutet, haben wir doch das Gefühl, den Autoren mit unserem Blick als Leser und Lektoren helfen zu können. Dieser Prozess kann sich über längere Zeit hinziehen, manchmal über Jahre. Oberstes Ziel ist es dabei immer, den Text in die Form zu bringen, die der Autor sich vorgestellt hat und die dem Inhalt auch angemessen ist. Oft wird dem Autor allerdings erst in den Gesprächen über den Text klar, was genau er mit dem Text wollte, wo es hingehen sollte und welches der beste Weg ist, dort hinzukommen.

 

Wenn der Text dann in die Zielgerade einläuft und auch das Korrektorat durchlaufen hat, ist die Arbeit des Lektorats aber noch lange nicht beendet. Eigentlich hört sie nie so richtig auf. Lektoren sind immer die ersten Ansprechpartner für die Autoren, auch in einem so kleinen Team wie dem von mairisch. Manchmal geht es darum, den richtigen Text für einen Wettbewerb oder eine Stipendiumsbewerbung auszuwählen. Manchmal muss man nachts noch ein Komma ändern, kurz vor Druckschluß. Insgesamt ist es wichtig, den Überblick zu behalten: Sind der Autor und sein Text bei dieser Veranstaltung, jenem Stipendium, diesem Anthologieprojekt, jenem Taschenbuch- oder Hörbuch-Verlag gut aufgehoben? Und manchmal ruft ein Autor an und will einfach an der Elbe einen Kaffee oder ein Bier trinken. Wir sind dabei.

 

Peter Reichenbach ist Mitgründer des mairisch Verlags und bei mairisch vor allem für's Lektorat zuständig.

 

Weiterlesen:

Teil 2 - Grafikdesign und Buchgestaltung

Teil 3 - Herstellung 

Teil 4 - Korrektorat

Teil 5 - Pressearbeit

Teil 6 - Lesungen

Teil 7 - Finanzen

 

 


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